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und das Goldene Dreieck

und das Goldene Dreieck

Titel: und das Goldene Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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klang philosophisch, ohne Groll.
»Beschützt die Regierung Sie denn nicht? Wie sieht es beispielsweise mit dem Schulwesen aus?«
Er lächelte flüchtig. »Zwei-oder dreimal im Monat kommt die Schule zu uns, doch der Lehrer spricht kein Akha, und die Kinder können nur ein bißchen Thai. Wir sind nicht - wie heißt das Wort? - Bürger dieses Landes. Wir müssen uns selbst beschützen. Wir möchten nicht hinunterziehen...« Er deutete bergab. »... Wir wollen frei bleiben und Akha bleiben, also gehen wir, wenn Leute unser Land wollen.«
»Und woher kommen Sie?« erkundigte sie sich.
Er verstand ihre Frage nicht richtig. »Wir kommen von unserem ersten Ahnen Apoemiyeh. Alle unseren Ahnen leben als Geister bei uns, sie sind auch jetzt bei uns.« Ein bißchen erschüttert schaute Mrs. Pollifax sich unwillkürlich um, um sich zu vergewissern, daß sie allein waren.
»Wir bitten sie um Rat«, fuhr er fort. »Wir laden sie zu Festen ein, zum Essen und Trinken. Wir leben mit vielen Geistern, den Reisgeistern, den Erntegeistern, den Baumgeistern. Wir haben zwar keine geschriebene Geschichte, aber wir kennen sie - jeder muß seine Ahnen sechzig Familien zurückkennen.«
»Sechzig Generationen!« staunte sie. »Sie sind also keine Buddhisten.«
»Nein - Waldleute!«
»Aber warum geben Sie ihr Land einfach auf, wenn jemand es will? Sie haben doch Gewehre, ich habe sie gesehen!«
»Weil der Akhazang nicht will, daß wir kämpfen.«
Sie spazierten inzwischen zum Dorf zurück, doch nun blieb Mrs. Pollifax stehen. »Akhazang?«
»Ja, wir leben nach seinen Geboten. Der Akhazang sagt uns, wie und wann wir Reis pflanzen, wo wir unser Haus bauen, wie wir Wild jagen, wie wir leben und wie wir sterben sollen.«
»Und nichts davon ist niedergeschrieben?« fragte sie stirnrunzelnd.
»Nicht niedergeschrieben«, bestätigte er lächelnd, »aber wir wissen es trotzdem. Von unseren Ahnen. Wir hören es von unserer Mutter, von unserem Vater, von Pima und Dzoema. Wir hören es viele Male - wir wissen es.«
Sie bückte sich und hob einen Stein auf. »Hat der auch einen Geist?«
»O ja! Wußten Sie das nicht?«
Sie lächelte und steckte ihn in ihre Tasche zu den Bananenund Eierschalen. »Ihr Englisch wird zusehends flüssiger«, lobte sie. »Wo haben Sie es gelernt, Nouvak?«
»In Missionsschule in Birma, aber als der Krieg begann...« Er schüttelte den Kopf. »Damals war ich ein kleiner Junge. Jetzt leben wir hier. Der Akhazang sagt: ›Auch wenn Mensch sich ändert, Akhazang ändert sich nicht. Selbst wenn ein Haus an zehn verschiedenen Orten aufgestellt wird, bleibt der Ahnenkorb unverändert‹.« Er zögerte, dann fragte er unvermittelt: »Sind Sie sicher, daß sie keine Schußwaffen hatten?«
Überrascht antwortete sie: »Ganz sicher.«
Er nickte. »Wir wünschen uns, unseren Reis anzupflanzen und zu jagen, Feste zu feiern und unsere Kinder zu erziehen, daß sie in Zang leben. Ich bin sehr froh, daß sie keine Schußwaffen gesehen haben.«
»Was würden Sie tun, wenn sie mit Gewehren ins Dorf kämen?«
»Wenn wir sie mit unserem Reiswein nicht freundlich stimmen könnten«, erwiderte er mit einem Lächeln, »würden wir husch.« Er deutete auf den dichten Wald hinter ihnen. »Wir leben immer ganz nahe am Wald, um uns darin verstecken zu können. Die Bäume sind unsere Freunde, genau wie der Himmel und die Sterne und die Sonne und die Steine.«
Sein Glaube rührte sie. Sie versuchte sich zu erinnern, daß auch für die Akha das zwanzigste Jahrhundert war, und so bemühte sie sich, ihm mit dem einzigen, das ihr einfiel, eine Freude zu machen und sagte bestimmt: »Sie hatten keine Schußwaffen.«
Sie erreichten nun die Einfriedung. Er sagte: »Um in meinem Haus zu schlafen, müssen Sie Großmutter werden und auf der Männerseite liegen - stört Sie das? Auch das ist Akhazang: Sie sind keine Akha und dürfen nicht auf der Frauenseite schlafen.«
Mrs. Pollifax lachte. »Das stört mich gar nicht. Ich werde in Ihrem Haus also Großmutter sein.« Am hinteren Ende der Einfriedung sah sie Bonchoo auf dem Vorbau von Nouvaks Haus etwas wie eine Zigarre rauchen, und seine Beine baumelten von der Plattform des offenen Vorbaus herab. Das war ein neuer Bonchoo: Entspannt, gutgelaunt und im Augenblick sichtlich zufrieden. Während ich, eine Amerikanerin, sofort Ergebnisse sehen will, dachte sie ein wenig zerknirscht. Ich kann zwar dankbar sein für die Rast, das Essen und ein Fleckchen, wo ich schlafen darf, aber ich kann meine Sorgen nicht abschütteln:

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