und das Goldene Dreieck
hinabblickte - ein junger Mann mit hohen glatten Backenknochen und wachen Augen. Er war nicht Bonchoo. Er trug eine schwarze Hose mit weiten Beinen, ein dunkles Hemd und ein Messer in seinem Gürtel. So hatte Bonchoo nicht ausgesehen.
»Bonchoo«, murmelte sie und versuchte, sich aufzusetzen. »Bonchoo?«
Der junge Mann rief nach jemandem hinter sich im Schatten und verschwand außer Sicht. Als sie saß, sah Mrs. Pollifax, daß sie von Kindern und Frauen umgeben war, die alle die gleiche Art Kopfputz trugen und sie staunend anstarrten: ihre Füße, ihre Kleidung, ihr Gesicht. Man hatte ihr die Schuhe ausgezogen, und die Frau, die sich über sie beugte, strich gerade eine kühle, lindernde Salbe auf ihre Blasen. Ihre Kopfbedeckung war so nahe, daß Mrs. Pollifax in aller Ruhe die komplexen Reihen von gehämmerten Silberscheiben, die Streifen winziger weißer Knöpfe und roter Glasperlen, alles mit Silbermünzen eingefaßt, bewundern konnte. Über den Reihen von Silberscheiben erhob sich ein Kegel, der wundervoll bestickt und mit leuchtend roten Federn besteckt war. Die Frau spürte offenbar ihren Blick, sie schaute hoch und lächelte schüchtern. Ihr Gesicht war winzig und abgehärmt, aber empfindsam und von einer Herzlichkeit, die Mrs. Pollifax überraschte.
Auf den Ruf des Mannes eilte Bonchoo herbei. Eine Flut von Erleichterung und Zuneigung überschwemmte sie, als sie sein breites Gesicht mit der Narbe wiedersah und den lächerlichen Hut. »Bonchoo!« rief sie noch einmal erfreut.
Ihm folgte eine runzelige alte Frau, die ebenfalls einen konischen Kopfputz trug - ihrer war etwas abgetragener, doch nicht weniger prächtig. »Sie bringt Wasser für Sie« erklärte Bonchoo und deutete auf den Krug in den Händen der Frau. »Sie hat es für Sie abgekocht, dafür habe ich gesorgt. Betrachten Sie es als etwas sehr Wertvolles, und trinken Sie nicht zuviel auf einmal.«
Die alte Frau lächelte sie freundlich an und nickte zufrieden, als Mrs. Pollifax den Krug nahm und trank. Das Wasser war noch warm, und als sie ihren Durst einigermaßen gestillt hatte, setzte sie den Krug zum Abkühlen ab, hielt ihn jedoch wie einen Schatz fest.
»Sie sagt, Sie müssen als nächstes das trinken«, erklärte Bonchoo und hielt ihr eine Tasse entgegen, die aus einem Astknoten ausgehöhlt war. »Es ist Kräutertee, eine Herzmedizin; gut, wenn man große Höhen nicht gewöhnt ist.«
Sie kostete ihn, verzog das Gesicht, leerte jedoch gehorsam die Tasse. Zu ihrer Überraschung hörte ihr Herz zu flattern auf und schlug wieder langsamer und regelmäßiger. Erstaunt sagte sie: »Ich fühle mich schon besser, er hilft wirklich! Bitte bedanken Sie sich für mich, Bonchoo. Es tut mir leid, daß ich umgekippt bin, entschuldigen Sie. Erzählen Sie mir bitte, was inzwischen geschehen ist. Haben Sie schon mit dem Dorfhäuptling gesprochen? Dürfen wir jetzt gehen?«
Bonchoo hockte sich neben sie. »Sie haben ihn gerade selbst gesehen, das hier ist sein Haus.« Er deutete auf die Stelle, wo der junge Mann gestanden hatte. »Er heißt Nouvak und ist ein sehr intelligenter junger Mann, der weiß, was zu tun ist.«
»Ja, aber läßt er uns gehen? Bonchoo, sie können uns nicht sehr weit voraus sein, Cyrus und die...«
Er hob eine Hand. »Warten Sie - Nouvak wird mit Ihnen reden, er kennt sich aus. Wir haben Glück, er spricht Thai, Akha, Hmong, ein wenig Schan und ein bißchen Englisch.«
»Englisch!« Das erschien ihr wahrhaftig ein Wunder in diesem abgelegenen Bergdorf.
Die ältere Frau hatte sich zurückgezogen und die Kinder mitgenommen. Die jüngere Frau kauerte sich auf die Fersen und sagte etwas, das weder Mrs. Pollifax noch Bonchoo verstanden. »Was sagt sie?« erkundigte sich Mrs. Pollifax. »Können Sie ihr bitte danken?«
Eine Stimme erklang hinter ihnen: »Ich werde ihr in Ihrem Namen danken. Sie ist meine Frau Apha.« Nouvak war zurückgekehrt. Nachdem er zu seiner Frau gesprochen hatte, lächelte sie Mrs. Pollifax noch einmal schüchtern an und verschwand im Haus. Nouvak setzte sich neben Bonchoo und betrachtete sie ernst. »Ich bin Buseh Dorfoberster. Mein Englisch nicht sehr in Übung, ich muß auffrischen, ja?«
»Bitte sprechen Sie.«
Er fuhr fort und überlegte jedes Wort. »Bonchoo sagt, Sie haben einen Sahmee verloren, einen...«
»Ehemann«, warf Bonchoo ein.
Nouvak nickte und studierte ihr Gesicht. »Und Sie suchen ihn.«
»Ja.« Bonchoo hat recht, dachte sie. Das waren wirklich die Augen eines Mannes, der »wußte, was zu
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