und das Haus in den Huegeln
hatte, fand sie auch
noch heraus, ob die Sekte an den mysteriösen Diebstählen auf dem
Weihnachtsmarkt beteiligt war.
„Ich bewundere euch“, sagte
Sandra in dem Bemühen, den beiden zu schmeicheln und etwaiges Mißtrauen zu
zerstreuen. „Ihr werdet ständig verspottet und angegriffen. Trotzdem verliert
ihr anscheinend nie den Mut zum Weitermachen. Ich habe euch nämlich schon ein
paarmal auf dem Weihnachtsmarkt beobachtet. Jedesmal bekamt ihr Ärger.
Entmutigt euch das nicht? Woher nehmt ihr die Kraft, das zu ertragen?“
„Unsere Lehre befiehlt uns,
auch das Leid hinzunehmen. Denn alle Angriffe auf uns sind das Werk Satans.
Aber wir fürchten ihn nicht. Wir sind mächtiger als er, denn wir leben im
rechten Glauben. Halleluja!“ antwortete Rocho.
„Halleluja!“ echote das
Mädchen.
Sandra hörte es staunend. „Du
hast einen seltenen Namen, Rocho“, sagte sie.
„Er bedeutet: der Rufer im
Streit“, erwiderte der Junge.
„Und wie heißt du?“ fragte
Sandra und beugte sich zu dem Mädchen vor.
„Debora.“
„Bedeutet der Name auch irgend
etwas?“
„Die Biene, die Fleißige“,
sagte das Mädchen stolz. Sie hielt den Kopf gesenkt. Ihre Hände waren über
ihrem Bauch gefaltet. Ihre Gestalt in dem weiten Wollumhang wirkte unförmig.
Sandra fragte sich, ob das Mädchen möglicherweise schwanger sei.
Sandra bemerkte, daß Debora mit
Rocho einen raschen Blick wechselte.
„Du hast uns also auf dem
Weihnachtsmarkt beobachtet?“ sagte Rocho und kam auf Sandras Bemerkung zurück.
„Was hast du beobachtet?“ fragte er lauernd.
„Na, wie ihr Prospekte
angeboten und deswegen Krach gekriegt habt. Das sagte ich doch schon.“
„Und wann hast du heute Debora
und mich gesehen?“ fragte Rocho.
„Als ihr zum Parkplatz
hinaufgelaufen seid. Weshalb habt ihr die anderen eigentlich im Stich gelassen,
als es Ärger gab?“
Erneut sahen Rocho und Debora
einander an.
„Fahren wir eigentlich noch
weit? Ich muß nämlich heim. Ihr bringt mich doch in die Stadt zurück?“
erkundigte sich Sandra, um die beiden abzulenken.
„Weshalb kommst du nicht mit zu
uns? Unsere Familie würde sich freuen“, sagte Rocho.
„Vielleicht ein andermal“,
erwiderte Sandra ausweichend.
Sie hatten die Innenstadt
verlassen und überquerten jetzt die Südbrücke.
Als der Bus in die Zufahrt zur
Bäderstraße einbog, trommelte Sandra mit der Faust auf Rochos Rücken. „Was soll
das? Wohin bringst du mich?“
Rocho antwortete nicht.
„Ich springe ab, wenn du nicht
sofort umkehrst!“ drohte Sandra.
„Wovor fürchtest du dich? Der
Herr ist groß. Bei ihm bist du geborgen. Er geleitet dich sicher nach Hause.
Der Herr verläßt seine Kinder nicht“, sagte Rocho.
Halleluja! dachte Sandra noch
bevor Debora es aussprach.
Sie fuhren einige Kilometer
durch Tannenwald.
Plötzlich setzte Rocho den
rechten Blinker, scherte in einen Waldweg ein, stellte den Motor ab und ließ
den Bus ausrollen.
Er verließ den Fahrersitz und
stieg zu Sandra in den Wagen-innenraum.
Er setzte sich neben sie auf
die Bank und legte einen Arm um ihre Schulter. „Du bist traurig, nicht wahr? Du
hast großen Kummer. Ich sehe es dir an“, sagte er sanft.
Sandra fühlte sich nicht
traurig. Sie war eher wütend über dieses sinnlose In-der-Gegend-Umherfahren.
Und sie sorgte sich um Joschi, der auf dem Weihnachtsmarkt auf sie wartete. Sie
war auch besorgt darüber, ob Rocho sie tatsächlich in die Stadt zurückbringen
oder vielleicht hier aussetzen würde. Und was geschah, wenn er ihre wahren
Beweggründe für ihre Kontaktsuche mit der Sekte herausfand? Seine Fragen hatten
darauf hingedeutet, daß er ihr mißtraute. Sie besagten aber auch, daß er etwas
zu verbergen hatte und eine Entdeckung fürchtete.
Doch Sandra äußerte ihre Ängste
nicht, sondern neigte zustimmend den Kopf.
„Ich habe einiges von der Welt
gesehen. Ich war in Indien, Amerika und England. Ich erkenne es, wenn jemand
verzweifelt ist. Du bist es. Ich lese es in deinen Augen. Es war richtig, daß
du dich an uns gewandt hast. Möchtest du nicht auch an einer besseren Welt von
morgen mitbauen? An einer Welt voll Liebe, Freude, Frieden und Glück?“ rief
Rocho mit leuchtenden Augen.
Weshalb gibt er diese
Gemeinplätze von sich? fragte sich Sandra empört. Weshalb erkundigt er sich
nicht, was mich bedrückt? Wenn ich jetzt tatsächlich so verzweifelt wäre, wie
er glaubt, daß ich es sei, was nützte mir dann das Gerede von einer besseren
Welt von morgen? Ich möchte ja, daß mir
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