und das Haus in den Huegeln
Kerzen
gelöscht.
Taumelnd vor Erschöpfung
verließen die Sendboten Gottes den Raum und suchten ihre Schlafsäle in
den oberen Stockwerken auf.
Sandra wurde ein Etagenbett in
einem Zimmer zugewiesen, in dem acht Mädchen wohnten. Jutta-Judith befand sich
nicht unter ihnen, wohl aber Debora und das Mädchen, das am Nachmittag
zusammengebrochen war. Sie hieß Camilla, die Dienerin. Trotz ihres erbärmlichen
Zustandes hatte Camilla die Abendveranstaltung durchgestanden. Doch sie sah
aus, als ob sie jeden Moment erneut einen Schwächeanfall erleiden würde.
Niemand wusch sich richtig oder
putzte sich die Zähne. Die Mädchen zogen sich schweigend aus, hängten die
Kleider in ihre Schränke und schlüpften unter die Decken.
Das Mädchen in dem oberen Bett
neben der Tür knipste die Deckenlampe aus.
Die abnehmende Mondsichel warf
ein schwaches Licht durch die dünnen Gardinen.
In der hinteren Ecke wurde noch
eine Weile geflüstert. Von irgendwoher drang ein Schluchzen. Das Mädchen im
Bett unter Sandra schnarchte. Draußen knarrten die Dielen unter schweren
Männerschritten.
Sandra versuchte krampfhaft,
sich wachzuhalten. Sie rollte sich auf den Bauch, stützte sich auf die
Unterarme und starrte auf den Lichtfleck im Fenster. Sie wartete darauf, daß
Ruhe im Zimmer und im Haus einkehrte, damit sie sich davonschleichen konnte.
Die Vorder- und Hintertür
würden abgeschlossen sein, doch Sandra vertraute darauf, daß sie aus einem
Fenster im Versammlungsraum klettern und von einer Telefonzelle, die es gewiß
auch in diesem kleinen Dorf gab, die Polizei um Hilfe bitten könnte.
Ihren ursprünglichen Plan, vor
dem Verlassen des Hauses herauszufinden, was sich wirklich hinter der Sekte
verbarg und ob es sich um eine kriminelle Organisation handelte, hatte sie als
zu gefährlich aufgegeben. Sandra lag nur noch daran, den Sendboten zu
entkommen. Sie wollte es der Polizei überlassen, ihre Schlüsse aus Sandras
Bericht zu ziehen.
Doch Sandras Müdigkeit war zu
groß. Sie schlief ein.
Das nächste, was sie wahrnahm,
war Camillas hysterisches Schluchzen ; Sandra war davon aufgewacht.
Lauschend lag sie eine Weile
starr vor Kälte und Entsetzen. Die anderen Mädchen im Zimmer schienen
weiterzuschlafen oder sich nicht um die Not ihrer Mitschwester zu kümmern.
Sandra hielt es schließlich
nicht mehr aus. Sie kletterte aus ihrem Bett und tastete sich an den
Bettpfosten entlang zu Camilla.
Das Zimmer wurde von einem
milchigen Schein erhellt. Sandra schob die Gardine zurück. Es schneite. Die
Bäume neben dem Haus waren bereits mit Schnee bedeckt. Auf Sandras Uhr war es
zehn Minuten vor zwei. Erst jetzt stellte sie fest, daß sie geschlafen hatte.
War damit ihre Fluchtchance vertan? Sie mußte Camilla beruhigen, damit sie
nicht das ganze Haus aufweckte.
Sandra berührte Camillas
Schulter. „Was hast du? Kann ich etwas für dich tun?“ flüsterte sie.
„Niemand kann mir helfen“,
schluchzte Camilla.
„Was hast du denn?“
„Schmerzen.“
„Wo hast du Schmerzen?“
„Hier... Oh!“
„Wo denn? Im Magen?“ Sandra
tastete über die Bettdecke, Camillas Hand suchend, die auf ihrem Magen lag.
Camilla stöhnte.
Sandra befühlte Camillas Stirn.
Sie war naß von kaltem Schweiß. Mist! dachte Sandra. Sie ist wirklich krank.
Sie braucht Hilfe. Ich muß jemand von den anderen wecken. Aber wie komme ich
dann hier heraus?
„Ich werde bestraft“, flüsterte
Camilla. „Es zerreißt meinen Bauch. Ich bin verloren. Ich habe versagt. Ich bin
nicht stark genug für die wahre Familie. In mir ist der Satan „Unsinn! Was
redest du für einen Kohl. Es sind Hungerschmerzen. Wie kann man auch wochenlang
fasten. Das ist ja irre!“
„Ich muß fasten! Ich muß mich
selbst bestrafen. Ich muß... muß... muß…“ keuchte Camilla.
Sandra richtete sich auf und
rüttelte das Mädchen im Bett über Camilla wach.
Das Mädchen schreckte hoch.
„Ist schon Zeit?“
Daß die bei dem Lärm, den
Camilla macht, weiterpennen kann! Die sind ja alle total fertig und
weggetreten, wunderte sich Sandra. „Camilla geht es schlecht. Was sollen wir
tun?“ fragte sie.
„Nichts, das geht vorbei“,
murmelte das Mädchen und ließ sich ins Kopfkissen zurückfallen.
„Es geht vorbei, es geht
vorbei, es geht vorbei!“ murmelte Camilla wie in Trance. Es klang, als würde
sie sich selbst hypnotisieren.
Sandra wurde es unheimlich.
Sie schlich auf Zehenspitzen zu
dem Schrank, in den sie ihren Pulli und die Cordhose gelegt und ihre
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