Und das Leben geht doch weiter
sprechen wir Hamburger nicht gern.«
»Du hast dich sogar ganz klar ausgedrückt.«
»Wie denn?«
»Carola sei deine Braut, sagtest du.«
»Nein!«
»Doch!«
Jens schien an sich selbst zu verzweifeln.
»Was muß ich betrunken gewesen sein!« rief er kopfschüttelnd aus.
»So schlimm war's gar nicht.«
»Freund«, sagte Jens, die Rechte ausstreckend, »gib mir deine Hand darauf, daß du mit niemandem darüber sprichst. Ich müßte mich zu Tode schämen – als Hamburger. Vor allem Carola darf nichts davon erfahren.«
Trenker schlug zögernd ein, sagte dann jedoch: »Du solltest dir über Carola weniger Gedanken machen. Sie macht sich über dich auch keine.«
»Was?«
»Sag mir ehrlich, bist du sicher, daß das etwas Ernstes ist zwischen euch beiden? Von deiner Seite, meine ich? Bist du da ganz sicher?«
Jens nickte.
»Ja.«
Es fiel ihm sichtlich schwer hinzuzufügen: »Da du nun schon so viel weißt – ich liebe sie.« Sich selbst entblößend, schloß er: »Ich werde sie heiraten.«
»Dann«, erklärte Alois Trenker ohne Umschweife, »gibt's für dich einen harten Brocken zu schlucken.«
»Ich … ich verstehe dich nicht.«
»Du wirst sie, glaube ich, nicht heiraten.«
Langsam wurde das Gespräch unerträglich für Jens Kosten. Er fand, daß da einer in einer Sache, die ihn nichts anging, entschieden zu weit ging. Er wollte deshalb die Unterhaltung abbrechen.
Er erhob sich und erklärte: »Ich möchte jetzt ein Bad nehmen und mich anziehen.«
Hau ab, hieß das, stör mich nicht länger.
Doch Trenker sagte: »Ein Bad nehme ich dann auch, ich hab's nötiger als du, aber vorher muß ich dir noch reinen Wein einschenken. Du wirst mir dankbar sein.«
»Ich wüßte nicht, wieso«, entgegnete der Norddeutsche arrogant.
Verärgert darüber, entschloß sich der Südtiroler, mit der Wahrheit nicht mehr scheibchenweise herauszurücken, sondern sie dem anderen knüppeldick um die Ohren zu schlagen.
»Die pfeift auf dich!«
»Carola?«
»Während du hier um sie gezittert hast und wir alle uns Sorgen um sie machten, hat sie sich da droben«, Trenker zeigte zum Fenster hinaus zu den Bergen hin, »mit einem amüsiert, daß die Bude nur so gewackelt hat.«
»Was?«
Kosten sank langsam wieder auf die Bettkante nieder.
»Die haben mir nicht einmal die Tür aufgemacht, eine Ewigkeit nicht, obwohl ich ständig gerufen habe. Wahrscheinlich waren sie gerade wieder dabei.«
Jens Kosten sagte kein Wort. Er blickte den Südtiroler nur groß und stumm an.
»Als ich reinkam, lagen die beiden noch da. Erst dann rappelten sie sich auf.«
Kostens Erstarrung hielt an.
»Ihr Schlüpfer hatte sich aber immer noch selbständig gemacht.«
Endlich fand der Hamburger seine Sprache wieder.
»Ich hoffe«, sagte er mit heiserer Stimme, »du weißt, was du da sagst.«
»Sehr genau, mein Lieber.«
»Du kannst schwören, daß die …«
Noch einmal schienen ihm die Worte zu fehlen.
»Ich kann jeden Eid darauf leisten, Jens. Schlag dir die aus dem Kopf. Mir kann das zwar egal sein, und es ist auch nicht der Grund, warum ich mich entschlossen habe, dir die Augen zu öffnen, aber es soll, wie ich schon sagte, keinen Skandal geben, daran liegt mir. Deshalb habe ich dich präpariert. Wenn ich das nicht getan hätte, brauchte ich mich nur in deine Lage zu versetzen, um zu wissen, was passieren würde, wenn die beiden herunterkämen und mir die Wahrheit vollkommen unvorbereitet, sozusagen ins Gesicht schleuderten. Ich würde den Kerl zusammenschlagen und müßte mich dann dafür auch noch einsperren lassen. Muß das denn sein?«
Nein, das mußte nicht sein.
Nichts ist einem echten Hamburger mehr zu wider als ein Skandal. Und die echten Hamburger sind noch lange nicht ausgestorben. Der junge Jens Kosten war sogar, obwohl seine Vorfahren aus Friesland stammten, die Uraltausgabe eines waschechten Hanseaten. Und das hatte nun seinerseits eine Reaktion zur Folge, die ein Südtiroler überzogen finden mußte.
»Für mich gibt's nur eins«, sagte Jens Kosten und eilte zum Kleiderschrank.
»Was?« fragte Alois Trenker.
»Ich reise ab.«
»Wann?«
»Sofort.«
»Aber warum denn? Ignoriere den Kerl doch einfach.«
»Es geht mir weniger um ihn.«
»Als um sie?«
Jens nickte.
»Ich möchte ihr nicht mehr begegnen.«
»Blödsinn. Lach dir eine andere an, und zwar hier, vor ihren Augen. Damit ärgerst du sie am meisten. Ich kenne die Weiber. Hast du noch nicht bemerkt, wie dir das Zimmermädchen auf eurer Etage Augen
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