Und das Leben geht doch weiter
macht?«
»Das Zimmermädchen?« antwortete Jens Kosten gedehnt.
Alois Trenker hatte noch nie in eine wirklich und echt gute, stockkonservative Hamburger Familie hineingerochen, sonst wäre er nie auf eine solche Wahnsinnsidee gekommen.
Jens Kosten schüttelte ungläubig den Kopf. Er glaubte, nicht recht gehört zu haben.
»Ein hübscher Käfer«, untermauerte Alois Trenker seine Empfehlung.
»Danke«, beendete Kosten das Thema. »Kein Bedarf.«
»Dann werde vielleicht ich sie mir unter den Nagel reißen.«
»Viel Vergnügen.«
»Und du bleibst dabei, daß du Leine ziehen willst?«
»Eisern.«
Jens war inzwischen fast ganz angezogen. Waschen und Rasieren gedachte er anscheinend ausfallen zu lassen.
»Willst du nicht wenigstens warten, bis die vom Berg herunterkommen?«
»Nein.«
»Und wer soll ihr Bescheid sagen, wo du geblieben bist und warum du Leine gezogen hast?«
»Du.«
Alois streckte abwehrend beide Hände aus.
»Du bist der Geeignetste dafür«, bekräftigte Jens Kosten. »Du kennst den ganzen Fall wie kein anderer, und du hast ja auch, wenn ich so sagen darf, den Stein ins Rollen gebracht.«
Alois faßte sich an die Stirn.
»Ich Idiot!« stöhnte er.
7
Die Situation zwischen Carola Burghardt und Detlev Padenberg hatte sich mit Trenkers Erscheinen in der Schutzhütte, auf das sie nicht im entferntesten vorbereitet gewesen waren, merklich verändert. Das überraschende Ereignis schien besonders Padenberg an die Nieren gegangen zu sein. Nachdem Trenker ihnen das Erscheinen der Bergwacht in Aussicht gestellt und die Hütte wieder verlassen hatte, um zum Eibsee hinunterzufahren, sagte Padenberg zu Carola: »Das hätte nicht passieren dürfen.«
Carolas erste Aufgabe war es, ihre Kleidung endlich wieder zu vervollständigen. Während sie dies tat, erwiderte sie: »Warum haben wir ihm eigentlich nicht bedeutet, daß er draußen bleiben soll?«
»Das hätten wir tun sollen, ja. Wenigstens wäre ihm dann dieses Beweisstück Nr. 1«, er zeigte auf ihr Höschen, das sie gerade an sich hochzog, »entgangen.«
Mit dieser Ausdrucksweise wollte sich Carola nicht einverstanden erklären.
»Du redest wie ein Polizist«, sagte sie. »Haben wir vielleicht etwas Kriminelles getan?«
Er versuchte zu lächeln. Es mißlang.
»Ich denke an deinen Ruf. Was glaubst du, wie die im Hotel sich die Mäuler über dich zerreißen werden.«
»Du meinst, daß ihnen der etwas erzählt?«
Während die beiden miteinander sprachen, war jeder bestrebt, sich möglichst rasch zum Aufbruch fertigzumachen, saß ihnen doch die Bergwacht im Nacken, mit deren Auftauchen sie ständig rechnen mußten.
»Es würde mich sehr wundern, wenn der das nicht täte«, antwortete Detlev. »Du mußt dir im klaren sein, daß wir Ressentiments geweckt haben. Die haben, was dein Schicksal anbelangt, mit dem Schlimmsten gerechnet, und dieser Trenker – Trenker, sagte er doch, ja? – riskierte sein Leben, das muß jeder, der sich in den Bergen ein bißchen auskennt, zugeben. Was aber stellt sich heraus? Daß du mit mir hier …«
Zum Strohlager hindeutend, verstummte er.
Carola verfiel auf einen Ausweg.
»Weißt du was?« sagte sie. »Wir holen im Hotel nur rasch meine Sachen, und ich ziehe um zu deinem Bergbauern. Dann können die im Hotel reden, was sie wollen.«
Doch Detlev schüttelte den Kopf.
»Das geht nicht. Erstens gibt's dort im ganzen Hof nur ein einziges Fremdenzimmer …«
»Das genügt doch für uns beide«, unterbrach ihn Carola.
»Und zweitens ist das eine Familie, von der du dir ein Bild machen kannst, wenn ich dir sage, daß zwei Söhne im Priesterseminar sind und die Tochter erst kürzlich als jüngste Nonne Bayerns ins Kloster ging.«
»O ja«, seufzte Carola.
»Fertig?« fragte er sie und blickte zur Tür.
Sie mußten nur noch die Schier anschnallen, dann konnte es losgehen. Nein, noch nicht ganz. Sie mußten sich noch einmal vergewissern, daß im Ofen nichts mehr brannte oder auch nur glühte. Padenberg öffnete das eiserne Türchen und stopfte einfach eine Menge Schnee hinein.
Schifahren im Tiefschnee kann ein Vergnügen sein oder auch nicht. Wenn man aber die zwei jetzt gefragt hätte, welche der beiden Möglichkeiten im Augenblick zutraf, hätte keiner eine Antwort gewußt. Zu viel anderes ging ihnen im Kopf herum. Padenberg fuhr voraus, hielt sich in Trenkers Spur, von dem jedoch nichts mehr zu sehen war. Carola folgte kurz dahinter. Von Zeit zu Zeit hielt er an, um ihr eine Verschnaufpause zu gönnen.
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