Und das Leben geht doch weiter
weniger.
»Deiner Sekretärin in Flensburg – oder wer das ist – müßtest du einmal Bescheid stoßen.«
Er zeigte sich überrascht.
»Der Unhold?«
»Ich weiß nicht, wie sie heißt. Sie hat sich mir ja nicht einmal vorgestellt.«
»Wie bist du denn zu der gekommen?«
»Ich werde dir alles erzählen. Ich habe einen Architekten namens Detlev Padenberg in Flensburg gesucht. Das Branchenverzeichnis führte mich in sein Büro. Privatadresse hatte ich nicht.«
Er blickte sie stumm an.
»Die Behandlung, die mir von besagter Dame widerfuhr, war empörend.«
»Inwiefern?«
»Ich hatte ihr erklärt, ich wolle mir von jenem Architekten ein Haus bauen lassen. Daraufhin hat die mir doch nicht zugetraut, die nötigen Mittel zu besitzen.«
Nun mußte Detlev allerdings lachen. Dadurch wurde nicht nur sein bis zum Zerreißen gespanntes Inneres, sondern die ganze Atmosphäre im Raum etwas aufgelockert.
»Ich werde ihr den Kopf waschen, Carola. Verlaß dich drauf.«
»Ihr Benehmen hat gezeigt, daß sie sich Kompetenzen anmaßt, die über die einer Sekretärin weit hinausgehen.«
»Die Hunold ist sehr tüchtig, deshalb …«
»Ich habe nur gesehen, daß sie recht hübsch ist«, unterbrach ihn Carola. »Vielleicht blendet dich das.«
»Carola, soll das eine Andeutung sein?«
»Ja«, erwiderte sie freiweg.
»Dann befindest du dich im Irrtum. Ich gehöre nicht zu denen, die mit ihren Sekretärinnen zu schlafen pflegen.«
Wie aus der Pistole geschossen kam aus ihrem Mund die Antwort: »Aber mit jungen Mädchen schon, wenn sie nicht gerade deine Sekretärinnen sind.«
Nun lag also das Thema auf dem Tisch.
»Carola«, sagte er, »wenn du dich diesbezüglich für eine von vielen hältst, bist du auf dem Holzweg.«
»Soll das heißen, daß ich mich für eine von wenigen halten darf?«
»Für die einzige.«
Carola mußte sich sehr beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen.
»Warum bist du dann heimlich verschwunden?« fragte sie ihn, nachdem sie ein paarmal geschluckt hatte.
Er wand sich.
»Heimlich verschwunden … das klingt so … so kriminell.«
»Wie soll ich mich sonst ausdrücken? Warum warst du fort, als ich zu deinem Quartier kam? Hört sich das besser an?«
»Du warst bei den Anthofers?« fragte er sichtlich betroffen.
»Ja, nachdem ich tagelang vergeblich auf dich gewartet hatte.«
»Ich hatte dir doch gesagt, du sollst dich dort nicht mehr allein ins Gelände wagen.«
»Was regst du dich auf, Detlev? Du wolltest mich nicht mehr sehen, und wenn mir etwas zugestoßen wäre, hättest du mich nicht mehr gesehen – nie mehr!«
»Carola, sprich nicht so!«
»Wie dann?«
»Wenn du glaubst, daß ich deshalb verschw … abgereist bin, weil ich dich nicht mehr sehen wollte, bist du glattweg verrückt.«
Ein kleiner Funke glomm in Carolas Augen auf.
»Ja?«
»Es hat mich eine unmenschliche Überwindung gekostet, das zu tun.«
»Wirklich?«
»Ich habe lange darunter gelitten.«
Der Funke wurde immer strahlender.
»Das ist dir recht geschehen.«
»Ich leide …«
Er verstummte. Er leide jetzt noch darunter, hatte er sagen wollen, korrigierte sich aber rechtzeitig: »Ich erweise dir keinen Gefallen, wenn ich bleibe, dachte ich. Außerdem war mein Urlaub ohnehin abgelaufen.«
»Das weiß ich, aber darum geht's nicht. Du hättest mir das sagen müssen.«
»Und dann? Was wäre dann geschehen? Mein fester Vorsatz, den ich mir in einer langen schlaflosen Nacht abgerungen hatte, wäre in sich zusammengebrochen.«
»Ja?«
»In meinem Büro ging's damals auch schon drunter und drüber.«
»Du hättest ja auf alle Fälle fahren können.«
»Nein, eben nicht, mir hätte die Kraft dazu gefehlt.«
»Und wenn ich mitgekommen wäre?«
»Carola!« rief er. »Mach mich nicht nachträglich noch wahnsinnig!«
Warum sage ich ihr nicht die Wahrheit, fragte er sich. Warum verschweige ich ihr die einzig entscheidende Tatsache?
»Detlev«, erwiderte sie, »ich mache dich gerne nachträglich noch wahnsinnig. Ich bin glücklich zu sehen, daß ich das kann. Ich hatte es nicht mehr erwartet. Du hast nichts anderes verdient.«
Ich muß sie bremsen, dachte er. Sie und mich selbst auch. Ich muß, muß, muß!
»Carola«, zwang er sich zu sagen, »du hättest nicht herkommen dürfen.«
»Ich finde, doch, es war höchste Zeit.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil nicht noch einmal alles von vorne anfangen darf.«
»O doch!«
Schlagartig war alles an ihr Verführung. Mit blitzenden Augen sah sie sich in der
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