Und das Leben geht doch weiter
alter Herr deine Flucht groß finanziert hat.«
»Ach, du denkst, da einspringen zu müssen? Erschreckt dich das?«
»Sei nicht albern.«
»Ich verfüge über ein eigenes Konto.«
»Ein großes?«
»Ja, und zwar …«
»Schweig still!« fiel er ihr ins Wort. »Ich will es nicht wissen, mich interessiert das nicht. Solange du hier bei mir bist, geht das auf meine Kosten, verstanden?«
»Das kann aber ins Geld laufen«, sagte sie vergnügt, »denn daran wird sich nicht schon morgen etwas ändern.«
»Los!« forderte er sie abrupt auf. »Aufstehen! Wir müssen rüber zur alten Fringold, sonst geht die zu Bett, und wir können nicht mehr rein zu ihr.«
Die Witwe Fringold entpuppte sich als eine gütige, dicke Frau, die Carola gerne aufnahm. Sie schwor einen Eid, daß man sich auf sie verlassen könne, als Detlev Padenberg zu ihr sagte: »Passen Sie auf das kleine Fräulein gut auf.«
Das Wetter war noch schlechter geworden.
Padenberg ging wieder. Dann saß Carola in einem warmen Raum am Ofen, ein junger Mann hockte in der Ecke und flickte Netze, und vor ihr auf dem Tisch stand rasch eine Tasse Tee, die sie gar nicht mochte, aber nicht ablehnen konnte, wenn sie die freundliche Witwe nicht vor den Kopf stoßen wollte.
Carola dachte natürlich an Detlev, an das Feldbett, fühlte sich sehr, sehr müde, lächelte aber … und mit diesem glücklichen Lächeln schlief sie im Sitzen am Ofen ein.
Vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, flickte Per Fringold seine Netze. Seine Augen leuchteten.
Er hatte noch nie ein so schönes Mädchen gesehen.
Gegen elf Uhr weckte Frau Fringold behutsam ihren Gast.
»Sonst bleiben Sie die ganze Nacht hier sitzen«, sagte sie lächelnd. »Aber im Liegen schläft sich's doch besser. Ich habe Ihnen eine Wärmflasche ins Bett gegeben.«
Und das im Frühjahr!
Draußen heulte der Sturm.
Was hieß schon Frühjahr, hoch oben am grauen Meer …
11
Das schlimme Wetter wollte und wollte nicht besser werden, auch den ganzen nächsten Tag nicht. Die Arbeiten am Deich mußten deshalb vorübergehend eingestellt werden. Das hieß aber nicht, daß der leitende Architekt die Hände in den Schoß hätte legen können. Für ihn gab es immer noch Papierkram genug zu erledigen, und so saß denn Detlev Padenberg in seiner Kate an der Schreibmaschine und tippte mit zwei Fingern mühsam Briefe und Stellungnahmen und Kostenerhöhungsbegründungen an die Landesregierung oder zwischengeschaltete Behörden. Diese Arbeit strengte ihn mehr an als der Außendienst auf dem Deich. Er erleichterte sie sich etwas mit einem halblauten Fluch und dem Wunsch: »Der Teufel soll sie alle holen!« Gemeint waren die Behörden.
Padenberg überwand sich aber, setzte seine Arbeit fort und erlag nicht der Versuchung, sich zum Häuschen der Witwe Fringold zu begeben und Carola auf den Gedanken zu bringen, daß eigentlich Gelegenheit für sie bestünde, auch tagsüber die Zweisamkeit mit ihm zu suchen. Gerade das wäre falsch gewesen, denn es ging ihm ja darum, ihr den Aufenthalt hier mehr oder minder rasch zu versauern, wenn es je zu einer Lösung kommen sollte, die Detlev unumgänglich schien. Die Primitivität, der sich Carola ausgesetzt sah, war der Hauptfaktor, auf den der Architekt setzen zu können glaubte. Sein eigener Verzicht auf das Mädchen, zu dem er sich dadurch verurteilte, fiel ihm schwer genug. Das stand jedoch auf einem anderen Blatt.
Das Telefon läutete. Andere Einrichtungen, die ebenfalls an die moderne Zeit erinnert hätten, gab es dieser Hütte nicht. Das Telefon hatte ihm aber die Post, als er eingezogen war, unbedingt legen müssen, damit er in der Lage war, eine jederzeit effektvolle Bauleitung auszuüben.
Er hob den Hörer ab und meldete sich: »Padenberg.«
Am anderen Ende meldete sich niemand.
»Padenberg«, wiederholte er.
Wieder nichts.
»Hallo!«
Nichts.
»Hallo, hier ist die Deichbauleitung in Süderhöft – Padenberg. Mit wem spreche ich?«
Scheinbar mit niemandem, er bekam keine Antwort. Zornig legte er auf. Es war aber jemand in der Leitung gewesen, daran gab's keinen Zweifel. So etwas merkt man, wenn man mit dem Telefon vertraut ist.
Detlev Padenberg kehrte an seine Schreibmaschine zurück.
Zur gleichen Zeit näherte sich Jens Kosten in seinem Sportwagen dem Deich, hielt an und stieg aus. Er trug einen Ledermantel und eine tief in die Stirn gezogene Mütze. Der Sturm packte ihn mit Urgewalt und warf ihn fast um. Er blies ihm auf dem Weg zu Padenbergs Kate ins Gesicht. Dieser
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