Und dennoch ist es Liebe
ihn baten, das Baby halten zu dürfen. Aber so, wie Max in den letzten drei Tagen drauf war, hätte Nicholas seinen Sohn jedem Fremden gegeben, so erleichtert war er, das quäkende Baby mal nicht auf dem Arm halten zu müssen. Nicholas schrieb seine Initialen in den weichen, kühlen Sand und beobachtete aus dem Augenwinkel heraus, wie Max auf Judys Schulter saß.
»Ich habe ihm gestern zum ersten Mal Brei gefüttert«, sagte Nicholas. »Ich habe es genauso gemacht, wie Sie gesagt haben: größtenteils Milchpulver. Aber er hat den Löffel immer wieder aus dem Mund geschoben, als könne er einfach nicht verstehen, was das für ein Ding sein soll. Und ich habe auch alles ausprobiert, was Sie mir sonst gesagt haben, doch er wollte einfach nicht durchschlafen.«
Fay lächelte. »Warten Sie, bis er mehr als nur einen Teelöffel am Tag isst«, sagte sie. »Dann kommen Sie zurück, und ich werde Ihnen unter die Nase reiben: ›Ich hab’s Ihnen ja gesagt.‹«
Judy kam zu ihnen. Sie hatte Max noch immer auf der Schulter. »Wissen Sie, Nicholas, Sie haben schon verdammt viel gelernt. Himmel, wenn Sie mein Mann wären, dann würde ich Ihnen die Füße küssen. Fantastisch, jemanden zu haben, der sich um die Kids kümmert, ohne alle drei Minuten zu fragen, warum sie schreien.« Sie beugte sich dicht an Nicholas heran, klimperte mit den Augen und lächelte. »Sie müssen nur Piep sagen, und ich besorge mir einen Scheidungsanwalt.«
Nicholas lächelte, und die Frauen schwiegen und schauten zu, wie ihre Kinder Plastikeimer und Sandburgen umwarfen. »Sagen Sie mir, wenn Ihnen das unangenehm sein sollte«, sagte Nikki zögernd. »Ich meine, wir kennen Sie ja noch nicht wirklich lang und wissen kaum etwas über Sie, aber ich habe da eine Freundin … Sie ist geschieden, hat ein Kind, und ich habe mich gefragt, ob Sie nicht irgendwann … Sie wissen schon …«
»Ich bin verheiratet.« Die Worte kamen Nicholas so schnell über die Lippen, dass ihn das mehr überraschte als die Frauen. Fay, Judy und Nikki schauten einander an. »Meine Frau ist … Sie ist nur nicht da.«
Fay strich mit der Hand über den Sandkastenrand. »Das tut uns leid zu hören«, sagte sie und ging vom Schlimmsten aus.
»Sie ist nicht tot«, sagte Nicholas. »Sie ist nur … weggegangen.«
Judy stellte sich hinter Fay. »Sie ist weggegangen?«
Nicholas nickte. »Sie ist vor gut einer Woche einfach weg. Sie, nun ja, sie war nicht sehr gut darin – nicht wie Sie –, und sie war ein wenig überfordert, glaube ich, und ist unter dem Druck zusammengebrochen.« Er schaute in leere Gesichter, und er fragte sich, warum er Paige vor diesen Fremden entschuldigen musste, wo er selbst ihr doch noch nicht einmal vergeben konnte. »Sie hatte nie eine Mutter«, sagte er.
» Jeder hat eine Mutter«, erwiderte Fay. »Sonst gäbe es ja keine Kinder.«
»Ihre hat sie verlassen, als sie fünf Jahre alt war. Als ich das letzte Mal von meiner Frau gehört habe, hat sie mir erklärt, sie wolle sie suchen. Als würde sie so alle Antworten bekommen.«
Fay zog ihren Sohn zu sich und machte seinen Hosenlatz wieder fest. »Antworten? Himmel! Es gibt keine Antworten. Sie hätten mich mal sehen sollen, als er drei Monate alt war«, sagte sie leichthin. »Ich hatte all meine Freunde vergrault, und mein Hausarzt hätte mich fast für tot erklärt.«
Nikki sog zischend die Luft ein und starrte Nicholas mit großen, mitleidvollen Augen an. »Trotzdem«, flüsterte sie, »sein eigenes Kind zu verlassen …«
Nicholas fühlte sich von dem nun folgenden Schweigen in die Enge getrieben. Er wollte das Starren dieser Frauen nicht, ebenso wenig wie ihr Mitgefühl. Er schaute zu den Kindern hinüber und wünschte sich, eines von ihnen würde zu schreien anfangen, nur um diesen Zustand zu beenden. Doch selbst Max war still.
Judy setzte sich neben Nicholas und balancierte Max auf dem Schoß. Sie nahm Nicholas’ Hand und hob sie an den Mund des Babys. »Ich glaube, ich weiß jetzt, was ihn zu so einem Monster macht«, sagte sie in sanftem Ton. »Hier.« Sie drückte Nicholas’ Finger an Max’ Gaumen, wo ein spitzes weißes Dreieck ihm ins Fleisch stach.
Fay und Nikki schoben sich näher heran, begierig darauf, das Thema zu wechseln. »Ein Zahn!«, rief Fay so aufgeregt, als wäre Max gerade in Harvard angenommen worden. Und Nikki fügte hinzu: »Er ist doch erst knapp über drei Monate, oder? Das ist verdammt früh. Er will wohl ziemlich schnell erwachsen werden. Ich wette, bald fängt
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