Und dennoch ist es Liebe
schlimmste Tag in seinem Leben. »Darf ich dir kurz erzählen, was ich heute so gemacht habe, meine Liebe «, knurrte Nicholas und wäre dabei fast an seinen eigenen Worten erstickt. »Nachdem ich dreimal in der Nacht mit Max aufgestanden bin, habe ich ihn heute Morgen ins Krankenhaus gebracht. Ein vierfacher Bypass stand auf meinem Plan, den ich fast nicht hinbekommen hätte, weil ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.« Er spie den Rest förmlich aus. »Jemand wäre fast gestorben, weil du … Wie hast du es noch genannt? … Weil du Urlaub gebraucht hast.« Er hielt den Hörer ein Stück von sich weg. »Paige«, sagte er leise, »ich will dein Gesicht nie wieder sehen.« Und er schloss die Augen und legte auf.
Als das Telefon wenige Minuten später wieder klingelte, nahm Nicholas ab und brüllte: »Verdammt noch mal, ich werde das nicht noch einmal sagen!«
Er hielt lange genug inne, um wieder zu Atem zu kommen, lange genug, damit Alistair Fogerty am anderen Ende der Leitung sich wieder fangen konnte. Fogertys scharfer Ton ließ Nicholas unwillkürlich einen Schritt zurückweichen. »Sechs Uhr, Nicholas. In meinem Büro.« Und er legte auf.
Als Nicholas ins Krankenhaus fuhr, litt er unter furchtbaren Kopfschmerzen. Er hatte vergessen, einen Schnuller mitzunehmen, und Max schrie die ganze Fahrt über. Nicholas schlurfte die Treppe in den fünften Stock hinauf, in den Verwaltungstrakt, denn der Aufzug in der Tiefgarage war kaputt. Fogerty war in seinem Büro und spuckte systematisch in die Bürolilien auf seiner Fensterbank. »Nicholas«, sagte er und drehte sich um, »und natürlich Max. Wie konnte ich das nur vergessen? Wo auch immer Dr. Prescott hingeht, ist der kleine Prescott nicht weit.«
Nicholas schaute zu den Pflanzen, über die Alistair sich gebeugt hatte. »Oh«, sagte Fogerty und winkte ab. »Das ist nichts. Allerdings scheint die Flora in meinem Büro positiv auf Sadismus zu reagieren.« Er starrte Nicholas mit seinen Raubtieraugen an. »Aber wir sind nicht hier, um über mich zu sprechen, Nicholas, sondern über dich.«
Nicholas hatte bis zu diesem Augenblick nicht gewusst, was er sagen würde. Doch bevor Alistair den Mund wieder öffnen konnte, um ihm einen Vortrag darüber zu halten, dass ein Krankenhaus kein Kindergarten sei, nahm er sich einen Stuhl und setzte Max bequem auf seinen Schoß. Ihm war scheißegal, was Alistair ihm zu sagen hatte. Dieser gottverdammte Hurensohn hatte kein Herz. »Ich bin froh, dass du mich sehen wolltest, Alistair«, sagte Nicholas. »Ich habe nämlich schon länger darüber nachgedacht, mich freistellen zu lassen.«
»Du hast was? « Fogerty stand auf und trat näher an Nicholas heran. Max kicherte und streckte die Hand nach dem Stift in Fogertys Laborkittel aus.
»Eine Woche sollte reichen. Joyce kann meine Operationstermine verlegen. Wenn es sein muss, kann ich das nächste Woche mit Überstunden ja wieder reinholen. Und um die Notfälle können sich die Assistenzärzte kümmern. Wie heißt er noch mal? Der Kleine mit den schwarzen Augen? Wollachek. Der ist ganz gut. Natürlich will ich keinen bezahlten Urlaub, und« – Nicholas lächelte – »wenn ich zurückkomme, werde ich besser sein denn je.«
»Ohne das Kind«, fügte Fogerty hinzu.
Nicholas ließ Max auf seinem Knie hüpfen. »Ohne das Kind.«
All das laut auszusprechen nahm einen unheimlichen Druck von Nicholas. Er hatte keine Ahnung, was er in dieser Woche tun würde, aber ein Kindermädchen ließ sich in dieser Zeit doch sicher finden. In jedem Fall würde er nach dem Urlaub wissen, wie Max schrie, wenn er Hunger hatte, und wie es sich anhörte, wenn sein Strampler nicht richtig saß und an der Haut scheuerte, und er würde endlich herausfinden können, wie man den Kinderwagen richtig auseinanderklappte. Nicholas wusste, dass er grinste wie ein Idiot, doch das kümmerte ihn nicht. Zum ersten Mal seit drei Tagen fühlte er sich wieder obenauf.
Fogerty presste die Lippen zu einem schmalen schwarzen Strich zusammen. »Das wird nicht gut in deiner Akte aussehen«, sagte er. »Ich hätte mehr von dir erwartet.«
Ich hätte mehr von dir erwartet. Die Worte erinnerten Nicholas an seinen Vater. Einmal in seinem Leben hatte er eine schlechtere Note als ein A mit nach Hause gebracht, und da hatte er das Gleiche zu hören bekommen.
Nicholas packte Max’ Bein so fest, dass das Baby zu schreien begann. »Ich bin keine gottverdammte Maschine, Alistair«, brüllte er. »Ich kann nicht alles auf
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