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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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immer vorgestellt, eine von ihnen werde gleich den Reithelm ausziehen, und du würdest darunter zum Vorschein kommen.« An der Tür drehte sie sich zu mir um. »Aber natürlich ist das nie geschehen.«
    Das Haus meiner Mutter war sauber und ordentlich, die Einrichtung spartanisch. Die Veranda war leer, abgesehen von einem weißen Korbschaukelstuhl, der mit dem Hintergrund verschmolz, und einer leuchtend rosafarbenen Begonie in einem Hängetopf. Im Flur lag ein alter Orientteppich, und darauf stand ein kleiner Tisch aus Ahornholz, der als Ablage diente. Rechts befand sich ein winziges Wohnzimmer, und links ging es die Treppe hinauf. »Ich werde alles für dich zurechtmachen«, sagte meine Mutter, obwohl ich gar nicht davon gesprochen hatte, dass ich bleiben wollte. »Heute Nachmittag habe ich allerdings noch ein paar Reitstunden, also werde ich nicht viel da sein.«
    Sie führte mich in den ersten Stock hinauf. Geradeaus lag das Badezimmer, die Schlafzimmer rechts und links. Mom ging nach rechts, doch ich erhaschte einen Blick auf ihr Zimmer: Es war hell und blass, und Gazevorhänge blähten sich über dem weißen Bett.
    Als ich durch die Tür des anderen Raumes trat, hielt ich die Luft an. Die Tapete war ein Meer von großen pinkfarbenen Blumen, das Bett ein flauschiger Hügel, und auf einer Truhe an der Wand saßen zwei Porzellanpuppen und ein grüner Clown aus Stoff. Es war das Zimmer eines kleinen Mädchens. »Du hast noch eine Tochter«, sagte ich. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Nein.« Meine Mutter streichelte einer der Porzellanpuppen über die glatte Wange. »Dieses Zimmer war einer der Gründe dafür, warum ich mich für diesen Stall entschieden habe. Ich habe immer wieder gedacht, wie sehr es dir hier gefallen hätte.«
    Ich schaute mich in dem Zimmer mit seinem zuckersüßen Dekor und der erstickenden Tapete um. Ja, als Kind hätte ich das geliebt. Ich dachte an mein Heim in Cambridge, das ich mit seinen milchweißen Teppichen und den weißen Wänden so gar nicht mochte. »Ich war achtzehn, als du dieses Haus gemietet hast«, erklärte ich. »Da war ich wohl schon ein wenig zu alt für Puppen.«
    Meine Mutter zuckte mit den Schultern. »In meinem Kopf warst du immer fünf Jahre alt«, sagte sie. »Ich habe häufig darüber nachgedacht, wieder zurückzugehen und dich zu holen, aber das konnte ich deinem Vater nicht antun. Außerdem wusste ich, wenn ich zurückkehren würde, dann würde ich auch bleiben. Und bevor ich michs versah, warst du erwachsen.«
    »Du bist zu meiner Abschlussfeier gekommen«, sagte ich und setzte mich aufs Bett. Die Matratze war hart.
    »Du hast mich gesehen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das hat der Privatdetektiv herausgefunden«, antwortete ich. »Er war sehr gründlich.«
    Meine Mutter setzte sich neben mich. »Ich habe zehn Stunden in Raleigh-Durham verbracht und mir den Kopf darüber zerbrochen, ob ich nun in diesen Flieger steigen sollte oder nicht. Ich war hin- und hergerissen. Ich habe sogar schon im Flugzeug gesessen und habe es wieder verlassen, kurz bevor sie die Türen schließen wollten.«
    »Aber du bist doch gekommen«, sagte ich. »Warum hast du nicht versucht, mit mir zu reden?«
    Meine Mutter stand auf und strich die Tagesdecke wieder glatt, sodass es wirkte, als habe sie nie dort gesessen. »Ich bin nicht deinetwegen dort gewesen«, antwortete sie, »sondern meinetwegen.«
    Meine Mutter schaute auf ihre Uhr. »Brittany kommt um halb drei«, sagte sie. »Sie ist das niedlichste kleine Mädchen, das du je gesehen hast, aber als Reiterin wird sie es nie zu etwas bringen. Wenn du willst, kannst du ja zuschauen.« Sie schaute sich um, als vermisse sie irgendetwas. »Hast du eine Tasche?«
    »Ja«, antwortete ich. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte jetzt nicht mehr in einem Motel übernachten können. »Sie ist in meinem Wagen.«
    Meine Mutter nickte, ging hinaus und ließ mich auf dem Bett sitzen. »Im Kühlschrank ist was zu essen, wenn du Hunger hast. Und pass mit dem Spülhebel auf der Toilette auf. Er klemmt ein wenig. Und solltest du mich suchen, am Telefon klebt ein Zettel mit der Nummer vom Stall. Die wissen immer, wo ich bin.«
    Es war so einfach, mit ihr zu reden. Alles war völlig unverkrampft, als hätte ich das schon ewig getan. Trotzdem fragte ich mich, wie sie so nüchtern sein konnte, als käme ich täglich hier vorbei, während ich allein bei dem Gedanken an sie Kopfschmerzen bekam. Vielleicht wusste sie es einfach besser und

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