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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Sie hielt kurz inne. »Wenn du wirklich etwas über mich erfahren willst, dann solltest du es mal mit dem Reiten versuchen. Und wenn du wirklich willst, dass ich etwas über dich erfahre, dann kann ich jede Menge sehen, wenn ich dich im Sattel beobachte.«
    Ich nahm die Zügel, während meine Mutter die Steigbügel einstellte und mir die Namen der einzelnen Teile erklärte: Satteldecke, englischer Sattel, Sattelgurt, Trense, Gebiss, Zügel, Martingal. »Steig auf das Cavaletto«, forderte meine Mutter mich auf, und ich schaute sie verständnislos an. »Das rote Ding hier«, erklärte sie und trat mit dem Fuß gegen das Hindernis. Das tat ich und stellte den linken Fuß in den Steigbügel. »Pack die Mähne, und zieh dich rauf. Ich halte Tony fest. Der geht nirgendwohin.«
    Kaum saß ich im Sattel, da wusste ich, wie lächerlich das aussehen musste. Ein kleines Mädchen mochte auf einem Pony ja niedlich aussehen, doch ich war eine erwachsene Frau. Ich war sicher, dass meine Füße fast den Boden berührten. Ich hätte genauso gut auf einem Esel reiten können. »Du darfst ihn nicht wirklich treten«, erklärte meine Mutter. »Du musst ihm nur vermitteln, dass er sich in Bewegung setzen soll.«
    Sanft berührte ich mit den Fersen die Flanken des Tieres, doch nichts geschah. Also machte ich es noch mal das Pferd schoss los, und ich wurde von einer Seite zur anderen geworfen, bis ich mich nach vorne beugte und die Arme um den Hals des Tieres schlang. »Setz dich auf!«, schrie meine Mutter. »Setz dich gerade hin, und nimm die Zügel auf.« Ich nahm all meine Kraft zusammen und tat, was Mom sagte, und ich seufzte, als das Pferd daraufhin tatsächlich langsamer wurde. »Du darfst dich nie nach vorne lehnen«, sagte meine Mutter und lächelte. »Nie! Es sei denn, du willst galoppieren.«
    Ich hörte den ruhigen Anweisungen meiner Mutter zu, ließ ihre Worte ineinanderfließen und fühlte den steten Rhythmus der Pferdebewegungen und das kratzige Fell an meinen nackten Beinen. Ich staunte über die Macht, die ich hatte. Wenn ich mein rechtes Bein gegen Tonys Flanke drückte, dann ging er nach links. Ich hatte ihn vollkommen unter Kontrolle.
    Als meine Mutter mit einem Schnalzen das Pferd zum Trab antrieb, tat ich, was sie mir sagte. Ich hielt Schultern, Hüfte und Fersen in einer geraden Linie. Ich ließ das Pferd mich im Rhythmus aus dem Sattel heben und blieb die ganze Zeit über im Takt, den Rücken gerade und die Hände ruhig auf Tonys Widerrist. Als meine Mutter mich aufforderte, mich zurückzulehnen und das Pferd im Schritt gehen zu lassen, war ich vollkommen außer Atem. Dann drehte ich mich zu ihr um. Erst da wurde mir bewusst, wie sehr ich mich nach ihrem Beifall sehnte.
    »Das reicht für heute«, sagte sie. »Heute Nacht werden dich deine Beine umbringen.«
    Sie hielt die Zügel fest, während ich aus dem Sattel glitt und Tony den Hals klopfte. »Und?«, fragte ich. »Was weißt du jetzt über mich, was du vorher nicht wusstest?«
    Meine Mutter drehte sich zu mir um und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich weiß, dass du dir mindestens zweimal in der letzten halben Stunde vorgestellt hast, über ein Feld zu galoppieren. Und dass du sofort wieder aufgestiegen wärst, wenn du aus dem Sattel gefallen wärst, als Tony am Anfang Gas gegeben hat. Ich weiß, dass du dich fragst, was es wohl für ein Gefühl ist zu springen, und ich weiß, dass du ein größeres Talent zum Reiten hast, als du denkst.« Sie zog an den Zügeln, sodass das Pferd zwischen uns trat. »Alles in allem betrachtet«, fuhr sie fort, »sehe ich, dass du mir sehr ähnlich bist.«
*
    Mein Job war es, den Salat zu machen. Meine Mutter kümmerte sich um die Spaghettisoße und stand am Herd, wobei sie die Hände auf die Hüften stützte. Ich schaute mich in der ordentlichen Küche um und suchte nach einer Salatschüssel, nach Tomaten und nach Essig.
    »Der Blattsalat ist im untersten Fach«, sagte meine Mutter, ohne sich zu mir umzudrehen.
    Ich steckte den Kopf in den Kühlschrank und bahnte mir einen Weg zwischen Nektarinen und Weinkühlern hindurch zu einem Kopf Eisbergsalat. Mein Vater hatte immer gesagt, mit einem Blick in die Küche könne man viel über einen Menschen erfahren. Ich fragte mich, was er wohl über diese Küche gesagt hätte.
    Ich begann, den Salat zu zupfen und zu spülen, und als ich den Blick hob, sah ich, dass meine Mutter mich beobachtete. »Entkernst du ihn nicht?«, fragte sie.
    »Entschuldigung?«
    »Du weißt schon«,

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