Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
auch ein wenig zurückgegangen. Aber sie war offensichtlich allergisch gegen das Essen. Dann hatte der Kellner ihnen als Zwischengang ein Sorbet gebracht, das mit Trockeneis gekühlt war, und der Dampf waberte einem über den Schoß wie der Nebel in einem schottischen Moor. Paige hatte mit dem Mann diskutiert und erklärt, da sie das nicht bestellt hätten, würden sie es auch nicht bezahlen. Und die gesamte Mahlzeit hindurch hatte sie Nicholas aufmerksam beobachtet und erst nach einer der drei Gabeln neben ihren Tellern gegriffen, wenn auch Nicholas das getan hatte. Mehr als einmal erwischte Nicholas sie dabei, wie sie einen neuen Gang anstarrte, als wäre er nur ein weiteres Hindernis, das es zu überwinden galt.
    Als die Rechnung kam, brachte der Kellner Paige eine langstielige Rose, und sie lächelte Nicholas über den Tisch hinweg an. Sie sah erschöpft aus. Nicholas konnte einfach nicht glauben, dass er nicht früher daran gedacht hatte: Für Paige war das Arbeit gewesen, eine Art Test. Nachdem der Kellner Nicholas seine Kreditkarte zurückgegeben hatte, sprang Paige auf, bevor er den Stuhl für sie zurückziehen konnte. Schnellen Schrittes suchte sie sich mit gesenktem Kopf den Weg des geringsten Widerstandes zur Tür und schaute nicht einmal zu den anderen Gästen auf.
    Als sie wieder im Flur und am Aufzug stand, legte sie den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Nicholas stand neben ihr, er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt. »Ich nehme an, ein Drink oben kommt jetzt nicht mehr in Frage«, murmelte er.
    Paige öffnete die Augen wieder. Sie wirkte verwirrt, so als ob Nicholas der letzte Mensch wäre, den sie neben sich erwartet hatte. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war wie eingemeißelt. »Es war köstlich, Nicholas«, sagte sie, und Nicholas konnte nicht anders, als auf ihre noch immer geschwollene Lippe zu starren, mit der sie aussah wie ein Sexsymbol der Dreißiger. Sie schlug die Hand vor den Mund.
    Nicholas nahm ihre Finger und zog die Hand sanft wieder herunter. »Tu das nicht«, sagte er. »Tu das nie.« Er legte ihr sein Jackett um die Schultern.
    »Was soll ich nie tun?«
    Nicholas zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. »Lüg mich nie an.«
    Er erwartete, dass sie abstreiten würde, gelogen zu haben, doch Paige drehte sich zu ihm um. »Es war furchtbar«, gab sie zu. »Ich weiß, du hast das nicht so gemeint, Nicholas, aber das ist wirklich nicht mein Ding.«
    Nicholas glaubte auch nicht, dass das sein Ding war, doch er machte das nun schon so lange, dass er nie an etwas anderes gedacht hatte. Schweigend fuhren sie die vierzehn Stockwerke nach unten, er hielt Paiges Hand und dachte darüber nach, wie die Taylor Street in Chicago wohl aussah und ob er wirklich lieber gestorben wäre, als sich dort blicken zu lassen.
    Es war nicht so, als würde er an Paige zweifeln. Trotz der Reaktion seiner Eltern wusste er, dass sie heiraten würden. Aber er fragte sich, wie unterschiedlich zwei Welten sein mussten, um zwei Menschen für immer voneinander fernzuhalten. Seine Eltern stammten auch von zwei verschiedenen Seiten des gesellschaftlichen Spektrums, doch das zählte nicht, denn sie hatten ohnehin die Plätze tauschen wollen. Das machte sie in Nicholas’ Vorstellung zu zwei Gleichgestellten. Seine Mutter hatte seinen Vater geheiratet, um der High Society eine lange Nase zu zeigen, und sein Vater hatte seine Mutter geheiratet, um Zugang zu Kreisen zu bekommen, in die sich kein Geld der Welt einkaufen konnte. Nicholas wusste jedoch nicht, wie die Liebe da hineinpasste – oder ob überhaupt Liebe im Spiel gewesen war –, aber es war der größte Unterschied zwischen der Beziehung seiner Eltern und den Gefühlen, die er für Paige hegte. Er liebte Paige, weil sie schlicht und süß war, weil ihr Haar die Farbe des Indian Summer hatte und weil sie Elmer Fudd nahezu fehlerlos nachmachen konnte. Er liebte sie, weil sie es mit weniger als hundert Dollar nach Cambridge geschafft hatte und weil sie das Vaterunser rückwärts beten konnte, ohne einmal dabei ins Stocken zu geraten. Und sie konnte Dinge zeichnen, die Nicholas niemals in Worte hätte fassen können. Mit einer überwältigenden Leidenschaft, die ihn selbst überraschte, glaubte Nicholas an Paiges Fähigkeit, immer auf den Füßen zu landen. Tatsächlich war Paige das, was für ihn einer Religion am nächsten kam. Ihm war vollkommen egal, ob sie eine Fisch-von einer Salatgabel unterscheiden konnte oder einen Walzer von einer Polka.

Weitere Kostenlose Bücher