Und dennoch ist es Liebe
durchgegangen. Ist es zu glauben, dass das von 1959 ist? Wir haben den ganzen Nachmittag damit verbracht, es umzunähen.«
»Und die Schuhe?« Die Klingel ertönte, und Nicholas nahm Paige am Ellbogen und führte sie in den Aufzug.
Paige schaute ihn herausfordernd an. »Die habe ich gekauft. Ich fand, dass ich mir etwas Neues verdient hätte.«
Nicholas war manchmal überrascht von der Wut, die Paige nur mühsam im Zaum hielt. Wenn sie glaubte, im Recht zu sein, dann kämpfte sie bis zum bitteren Ende und machte sogar noch weiter, wenn bewiesen war, dass sie falsch lag.
Als der Aufzug im Erdgeschoss ankam, wartete Nicholas darauf, dass Paige als Erste hinausging. So hatte man ihm das schon im achten Schuljahr beigebracht. Als sie das jedoch nicht tat, drehte er sich zu ihr um und sah einen Gesichtsausdruck, den sie häufig hatte, wenn sie Nicholas anschaute. Es war, als erfülle er ihre ganze Welt, als könne er nichts falsch machen. »Was ist?«, fragte Nicholas und nahm ihre Hand.
Paige schüttelte den Kopf, lächelte ihn wieder an. »Wenn du in Chicago gelebt hättest«, sagte sie, »wärest du auf der Straße einfach an mir vorbeigegangen.«
»Nein, das wäre ich nicht«, erwiderte Nicholas.
Paige lachte. »Da hast du vollkommen recht. Du wärst lieber gestorben , als dich auf der Taylor Street blicken zu lassen.«
Nicholas konnte Paige nicht davon überzeugen, dass es ihm egal war, woher sie kam, wo sie arbeitete und ob sie ein Diplom hatte oder nicht. Für ihn war nur wichtig, wohin sie ging, und er würde sicherstellen, dass er sie genau dorthin begleitete. Und genau darum hatte er ihr gesagt, sie solle sich chic machen, und darum hatte er auch einen Tisch im Empress-Restaurant des Hyatt Regency am Fluss reserviert. Anschließend würden sie ins Spinnacker gehen, der sich drehenden Bar, und dann würde er sie nach Hause bringen, und gemeinsam würden sie unter den Laternen am Potter Square sitzen und sich küssen, bis ihre Lippen geschwollen waren. Schließlich würde Nicholas dann nach Hause fahren, nackt unter dem Deckenventilator in seinem Schlafzimmer liegen, träge Kreise auf die Laken malen und sich Paiges seidige Haut vorstellen.
»Wo gehen wir eigentlich genau hin?«, fragte Paige, als sie in den Wagen stieg.
Nicholas grinste sie an. »Das ist eine Überraschung«, sagte er.
Paige schnallte sich an und strich die Falten aus ihrem schwarzen Rock. »Vermutlich nicht zu MacDonald’s«, sagte sie. »Die sind nicht mehr ganz so streng, was die Kleiderordnung betrifft.«
Der Maˆıtre im Smoking verneigte sich im Restaurant vor Nicholas und führte sie zu einem winzigen Tisch an einer Fensterwand. Der Fluss war in das orangefarbene Licht des Sonnenuntergangs getaucht, und die Segel des MIT-Segelclubs flatterten über dem Wasser wie Schmetterlinge. Paige schnappte nach Luft, drückte kurz die Hände ans Fenster und hinterließ einen feuchten Abdruck. »Oh, Nicholas«, sagte sie, »das ist großartig.«
Nicholas griff nach dem schwarzen Streichholzbriefchen im Kristallaschenbecher. Paiges Initialen waren in Gold auf das Briefchen geprägt. Das war einer der Gründe, warum er sich für das Empress und nicht für das Café Budapest oder das Ritz-Carlton entschieden hatte. Hier legte man Wert auf den persönlichen Touch. Nicholas gab Paige die Streichhölzer. »Vielleicht möchtest du die ja behalten«, sagte er.
Paige lächelte. »Du weißt, dass ich nicht rauche«, sagte sie. »Und Doris hat noch nicht einmal einen Kamin.« Sie warf sie wieder in den Aschenbecher. Erst dann bemerkte sie die Buchstaben: PMO. Nicholas lehnte sich zurück und schaute zu, wie Paiges Augen immer größer wurden. Dann schaute sie sich um wie ein kleines Kind und huschte verstohlen zu einem Nachbartisch. Sie nahm das Streichholzbriefchen aus dem Aschenbecher und riss die Augen auf, doch nur für eine Sekunde. »Das steht nur auf unserem«, sagte sie atemlos. »Aber woher wissen sie das?«
Je weiter das Essen fortschritt, desto mehr stellte Nicholas seine Motive für dieses elegante Dinner in Frage. Paige hatte ihn gedrängt zu bestellen, da sie noch nichts gegessen hatte, und er hatte das getan. Die Vorspeise – ein Vogelnest gefüllt mit Huhn und Gemüse – war einfach nur köstlich gewesen, doch Paige hatte sich nur einen Reisstrohpilz in den Mund gesteckt, und schon war ihre Lippe angeschwollen wie ein Ballon. Sie hatte Eis in eine Serviette getan und ihre Lippe damit gekühlt, und tatsächlich war die Schwellung
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