Und dennoch ist es Liebe
blau-weißen Zelt zu führen. Abends zahlten wir für eine Übungsrunde im Parcours, und Donegal nahm jeden Sprung mit Leichtigkeit. Dann sattelte meine Mutter ihn ab und wusch ihn mit warmem Wasser. »Bis morgen dann, Don«, sagte sie, »ich gehe davon aus, mit einem Champion nach Hause zu fahren.«
Am nächsten Tag schaute ich mit großen Augen zu, wie die Pferde in drei Ringen gleichzeitig bewertet wurden. Männer und Frauen waren gemeinsam im Wettbewerb, denn Reiten ist eine der wenigen Sportarten, in denen sie gleichgestellt sind. Die Klasse meiner Mutter nannte sich ›Four Foot Working Hunter‹ und war die höchste Showklasse. Sie schien jeden hier zu kennen. »Ich werde mich jetzt erst einmal umziehen«, sagte sie, und als sie wieder zurückkam, trug sie eine Reithose, hohe, polierte Stiefel, eine Bluse mit steifem Kragen und einen blauen Wollblazer. Sie hatte ihr Haar mit fünfzehn kleinen Haarspangen festgemacht, und sie bat mich, einen Spiegel zu halten, während sie den Helm darüberstülpte. »Wenn auch nur ein Haar rausschaut«, sagte sie zu mir, »kostet uns das einen Punkt.«
Insgesamt traten einundzwanzig Pferde in ihrer Klasse an. Es war der letzte Event des Tages, und Mom war die dritte Reiterin. Während Donegal durch den Aufwärmring trabte, schaute ich mir einen Mann an, der mit dem größten Hengst sprang, den ich je gesehen hatte. Die Hindernisse, die er überwand, waren größer als ich. Meine Mutter hatte die Nummer 46. Sie trug sie auf einem zerknitterten gelben Papier am Rücken. Sie lächelte den Mann an, der an ihr vorbeiritt, nachdem er den Parcours beendet hatte.
Der Richter saß an der Seite. Ich versuchte zu erkennen, was er schrieb, doch das war auf diese Entfernung unmöglich. Also konzentrierte ich mich auf meine Mutter. Es dauerte nur Sekunden. Ich schaute zu, wie Donegal auf die letzte Bahn ging. Als er sprang, waren seine Vorderbeine angespannt, die Knie hoch. Er nahm den Sprung nicht lang, und er riss das Hindernis auch nicht. Es war einfach perfekt. Ich sah, wie meine Mutter Donegal vor dem nächsten Sprung durchparierte, in den leichten Sitz ging und das Kinn hob, um mit brennenden Augen nach vorne zu schauen. Erst als sie den Parcours beendet hatte, wurde mir bewusst, dass ich die Luft angehalten hatte.
Die Frau neben mir trug ein kupferfarbenes gepunktetes Kleid und einen breitkrempigen weißen Hut, ganz so, als wäre sie in Ascot. Sie hielt ein Programmheft in der Hand und schrieb die Nummern der Reiter auf die Rückseite, von denen sie glaubte, dass sie gewinnen würden. »Ich weiß nicht«, murmelte sie vor sich hin. »Ich glaube, der Mann vorhin war viel besser.«
Wütend drehte ich mich zu ihr um. »Das soll wohl ein Scherz sein«, sagte ich. »Sein Pferd ist an jedem Sprung zu früh abgesprungen.« Die Frau schnaubte und tippte sich mit dem Stift ans Kinn. »Ich gebe ihnen fünf Dollar, wenn Nummer 46 den Kerl nicht schlägt«, sagte ich und holte einen Schein aus meiner Tasche.
Die Frau starrte mich an, und einen Augenblick lang fragte ich mich, ob das wohl illegal war, doch dann erschien ein Lächeln auf ihrem Zwiebelgesicht, und sie streckte die behandschuhte Hand aus. »Abgemacht«, sagte sie.
Niemand sonst in dieser Klasse war so gut wie meine Mutter auf Donegal. Mehrere Pferde verweigerten den Sprung oder warfen ihre Reiter ab und wurden disqualifiziert. Als die Ergebnisse verkündet wurden, ging die blaue Schleife an Nummer 46. Ich stand auf und jubelte, und meine Mutter drehte sich zu mir um. Dann ritt sie mit ihrem Pferd wieder auf die Reitbahn, und die Schleife wurde an Donegals Trense befestigt. Die Frau neben mir schnaubte wieder und hielt mir eine Fünfdollarnote hin. »31 war trotzdem besser«, sagte sie.
Ich nahm ihr das Geld ab. »Das mag ja sein«, erwiderte ich, »aber Nummer 46 ist meine Mutter.«
*
Meine Mutter hatte die Idee, im Freien zu schlafen, um das Ende des Sommers zu feiern. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mir das gefallen würde. Ich dachte an matschige Erde und meine Angst vor Ameisen, die mir über den Hals und in die Ohren kriechen würden. Doch meine Mutter fand zwei alte Schlafsäcke, mit denen die Besitzer der Pegasus Stables mal in Alaska gewesen waren, und wir streckten uns auf der Weide aus, auf der meine Mutter immer Donegal ritt. Dann hielten wir nach Sternschnuppen Ausschau.
Im August war es hier im Süden unerträglich heiß, und ich war es inzwischen gewohnt, Blasen an Händen und Hals zu haben – an jenen
Weitere Kostenlose Bücher