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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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auch die Ärmchen ausstrecken würde, doch das war Wunschdenken gewesen. Laut Dr. Spocks schlauem Buch taten Kinder das erst ab dem sechsten Monat.
    »Lass uns mal schauen«, sagte Robert und klemmte sich Max wie einen Football unter den Arm. Er sah sich in dem kleinen Salon um, den man inzwischen in ein provisorisches Kinderzimmer verwandelt hatte, und fand, was er suchte: ein altes Stethoskop. Max liebte es, an den Gummischläuchen zu nuckeln und sich das kalte Metall an den Gaumen zu halten, der vom Zahnen geschwollen war. Robert stand auf und gab Max das Spielzeug, doch Max ließ es sofort wieder fallen und schürzte die Lippen, um loszuschreien. »Dann bleiben wohl nur noch drastische Maßnahmen«, sagte Robert und wirbelte Max über dem Kopf herum. Dann schaltete er die Sesamstraße-Kassette ein, die er in einer Buchhandlung gekauft hatte, und tanzte einen Tango über die Spielzeuge auf dem Boden hinweg. Max lachte jedes Mal, wenn sie um eine Ecke tanzten – ein wundervolles Geräusch, dachte Robert.
    Robert hörte das Klimpern von Schlüsseln an der Tür, sprang zum Kassettenrekorder und drückte Stopp. Dann setzte er Max in sein Stühlchen, das auf dem niedrigen Kaffeetisch stand, und gab ihm ein Sieb und einen Plastiklöffel. Max steckte den Löffel in den Mund und ließ ihn dann auf den Boden fallen. »Verrat mich bloß nicht«, warnte Robert ihn und beugte sich dicht an Max heran, der sich daraufhin den Finger seines Großvaters schnappte und in den Mund steckte.
    Astrid betrat den Raum und sah Robert, der eine Krankenakte durchblätterte, und Max, der ruhig in seinem Stühlchen saß und sich das Sieb auf den Kopf gesetzt hatte. »Alles okay?«, fragte sie und warf ihre Handtasche auf einen Stuhl.
    »Hmmm«, antwortete Robert. Dann bemerkte er, dass er die Akte falsch herum hielt. »Er war die ganze Zeit über mucksmäuschenstill.«
*
    Als es im Krankenhaus die Runde machte, dass Fogerty bei einer Operation zusammengebrochen war, hatte Nicholas seine Nachmittagsvisite verschoben und war direkt ins Büro seines Chefs gegangen. Alistair saß auf seinem Stuhl und hatte die Füße auf die Heizung gelegt. Er schaute zum Fenster hinaus auf das Krematorium des Krankenhauses. Gedankenverloren riss er die Blätter von seiner Graslilie. »Ich habe nachgedacht«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Hawaii. Oder vielleicht auch Neuseeland, wenn ich den Flug ertragen kann.« Er drehte sich in seinem großen Lederstuhl um. »Ruft die Englischlehrer zusammen. Was ist die Definition von ›Ironie‹? Wenn man einen Autounfall hat, während man sich anschnallt. Oder wenn ein Herzchirurg herausfindet, dass er einen Bypass braucht.«
    Nicholas ließ sich auf der anderen Seite des Schreibtischs auf einen Stuhl sinken. »Was?«, murmelte er.
    Alistair lächelte ihn an, und plötzlich fiel Nicholas auf, wie alt der Mann aussah. Er kannte Alistair nicht – jedenfalls nicht außerhalb des Krankenhauskontextes. Er wusste nicht, ob er Golf spielte oder ob er seinen Scotch pur trank. Er wusste nicht, ob er beim Schulabschluss seines Sohnes oder der Hochzeit seiner Tochter geweint hatte. Nicholas fragte sich, ob überhaupt jemand Alistair so gut kannte … ihn kannte ja auch niemand wirklich gut. »Dave Goldman hat die Untersuchungen durchgeführt«, sagte Fogerty. »Jetzt will ich, dass du mich operierst.«
    Nicholas schluckte. »Ich …«
    Fogerty hob die Hand. »Bevor du dich verplapperst, Nicholas, vergiss nicht, dass ich es am liebsten selbst tun würde. Aber da das ja nicht geht und da du das einzige andere Arschloch bist, dem ich in dieser Institution vertraue, habe ich mich gefragt, ob du mich in deinen vollen Terminplan schieben kannst.«
    »Montag«, antwortete Nicholas. »Direkt als Erster.«
    Fogerty seufzte und legte den Kopf zurück. »Ich habe dich heute Nachmittag gesehen«, sagte er. »Du warst schlampig.« Er strich mit den Daumen über die Stuhllehnen. »Du nimmst so viele Patienten an, wie du kannst«, fuhr er fort. »Du wirst dir dafür extra Zeit nehmen müssen.«
    Nicholas stand auf. »Betrachte es als erledigt.«
    Er schaute zu, wie Alistair Fogerty sich wieder zum Fenster umdrehte. »Ja, erledigt«, flüsterte Alistair kaum hörbar.
*
    Astrid und Robert Prescott saßen auf dem Wohnzimmerboden unter dem prachtvollen Kirschholztisch, an dem bis zu zwanzig Gäste Platz finden konnten. Max schien der Ort zu gefallen, als wäre es eine natürliche Höhle, die es zu erkunden galt. Vor ihm lag eine Sammlung von

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