Und dennoch ist es Liebe
sagen, dass die Operation gut verlaufen sei. Sie hatte geweint. Nicholas sah das an der verlaufenen Mascara unter ihren Augen. Sie setzte sich neben ihren Mann und sprach leise mit ihm. Nicholas konnte nicht hören, was sie sagte.
»Nicholas«, flüsterte Fogerty, und seine Stimme war über das Piepen der Geräte hinweg kaum zu hören. »Kümmere dich um meine Patienten, und mach keinen Scheiß mit meinem Schreibtisch.«
Nicholas lächelte und verließ den Raum. Er ging mehrere Schritte den Gang hinunter, als ihm plötzlich klar wurde, was Alistair da gerade zu ihm gesagt hatte: Er war jetzt der amtierende Chefarzt der Kardiologie im Mass General. Ohne es wirklich zu realisieren, fuhr er mit dem Aufzug in das Stockwerk, wo Fogertys Büro lag, und er öffnete die unverschlossene Tür. Es hatte sich nichts verändert. Die Akten stapelten sich noch immer auf dem Schreibtisch. Die Sonne fiel auf den bedrohlich wirkenden Drehstuhl, und Nicholas war fast sicher, Alistairs Abdruck auf dem weichen Leder sehen zu können.
Er ging zu dem Stuhl, setzte sich und legte die Hände auf die Armlehnen, wie er es so oft bei Fogerty gesehen hatte. Dann drehte er sich zum Fenster um, schloss die Augen vor dem Licht. Er hörte nicht, wie Elliot Saget, der Chefarzt der Chirurgie, den Raum betrat. »Und der Stuhl ist noch nicht einmal kalt«, bemerkte Saget sarkastisch.
Nicholas wirbelte herum und sprang auf, sodass der Stuhl gegen die Heizung prallte. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe nur gerade nach Alistair gesehen …«
Saget hob die Hand. »Ich bin nur hier, um es offiziell zu machen. Fogerty wird die nächsten sechs Monate nicht zum Dienst erscheinen. Sie sind hiermit amtierender Chefarzt der Kardiologie. Wir werden Sie wissen lassen, mit welchen Meetings und Komitees wir Ihnen die Abende versauen werden, und ich werde dafür sorgen, dass Ihr Name an die Tür kommt.« Er wandte sich zum Gehen, drehte sich auf der Schwelle aber noch einmal um und lächelte. »Wir kennen Ihre Fähigkeiten schon lange, Nicholas. Sie haben den Ruf, ein ziemlich harter Hund zu sein, wenn es drauf ankommt. Falls Sie derjenige sein sollten, dem Alistair seine Herzprobleme zu verdanken hat, dann gnade uns Gott«, sagte er und ging hinaus.
Nicholas ließ sich wieder auf Alistairs großen Lederstuhl zurücksinken – auf seinen großen Lederstuhl – und drehte sich im Kreis wie ein kleines Kind. Dann arrangierte er die Akten auf dem Tisch in ordentliche, symmetrische Stapel. Er las sie nicht, noch nicht. Schließlich griff er zum Hörer, um eine Nummer außerhalb zu wählen, doch dann erkannte er, dass es niemanden gab, den er hätte anrufen können. Seine Mutter war mit Max gerade im Streichelzoo, sein Vater noch immer auf der Arbeit, und Paige … Nun, er wusste nicht, wo sie war. Nicholas lehnte sich zurück und schaute zu, wie der Qualm vom Krematorium des Mass General nach Boston zog. Und er fragte sich, warum er sich so gottverdammt leer fühlte, obwohl er doch jahrelang danach gestrebt hatte, auf diesem Stuhl zu sitzen.
K APITEL 31
P AIGE
Meine Mutter sagte, es hätte nichts miteinander zu tun, doch ich wusste, dass Donegal die Kolik bekam, weil sie sich den Knöchel gebrochen hatte.
Weder sein Futter noch sein Wasser waren daran schuld, denn das war wie immer. Auch hatte es keine größeren Temperaturschwankungen gegeben, die dafür hätten verantwortlich sein können. Doch meine Mutter war von Elmo bei einem Sprung abgeworfen worden und direkt in die blaue Mauer geschleudert worden. Sie war unglücklich gelandet und trug nun einen Gips. Ich glaubte, Donegal hatte seine Kolik aus Mitgefühl bekommen.
Meine Mutter, die vom Arzt, der ihren Fuß untersucht hatte, angewiesen worden war, sich nicht zu bewegen, humpelte auf Krücken den ganzen Weg vom Haus zum Stall. »Wie geht es ihm?«, fragte sie, fiel in der Box auf die Knie und strich Donegal über den Hals.
Donegal lag im Stroh, trat mit den Beinen und schaute immer wieder auf seine Flanken. Meine Mutter zog seine Lippe hoch und sah sich seinen Gaumen an. »Er ist ein wenig blass«, erklärte sie. »Ruf den Tierarzt an.«
Josh ging zum Telefon, und ich setzte mich zu meiner Mutter. »Geh wieder ins Bett«, sagte ich. »Josh und ich kommen schon damit zurecht.«
»Nein, das tut ihr nicht«, widersprach meine Mutter. »Und sag mir nicht, was ich tun und lassen soll.« Sie seufzte und rieb sich mit dem Ärmel über das Gesicht. »In dem Kästchen auf dem Tisch da drüben findest du
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