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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zurückhielten, sondern durchließen. Mit sorgfältigen Stichen nähte er die Vene an die erste Koronararterie, direkt vor der verstopften Stelle; anschließend befestigte er das andere Ende am zweiten Verschluss. Seine Hände bewegten sich, als hätten sie einen eigenen Willen, präzise und ruhig. Er hatte die nächsten Schritte bereits im Kopf, doch bis jetzt war ihm alles ganz natürlich erschienen, als hätte er das schon ewig gemacht. Nicholas lächelte. Ich kann es , dachte er. Ich kann es ganz alleine.
    Nicholas hatte die Operation nach fünf Stunden und zehn Minuten beendet. Er ließ den Assistenten die Wunde schließen, und erst nachdem er den Operationssaal wieder verlassen hatte, um sich zu waschen, erinnerte er sich an Fogerty und daran, dass er seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen hatte. »Und? Was denken Sie?«, fragte Nicholas Fogerty, als der hinter ihm in den Waschraum kam.
    Fogerty zog sich die Handschuhe aus und hielt die Hände unter heißes Wasser. »Ich denke«, sagte er, »dass Sie jetzt nach Hause gehen und ein wenig schlafen sollten.«
    Nicholas hatte sich die Maske abgenommen, und vor Schreck ließ er sie zu Boden fallen. Verdammt noch mal, er hatte gerade seinen ersten Bypass gelegt! Selbst so ein Arschloch wie Fogerty musste da doch ein wenig konstruktive Kritik zu bieten haben oder sogar ein Lob. Er hatte fantastische Arbeit geleistet, nicht einen Fehler gemacht, und wenn er eine Stunde länger dafür gebraucht hatte als Fogerty, so war das beim ersten Mal doch auch nicht anders zu erwarten.
    »Nicholas«, sagte Fogerty, »ich sehe Sie dann bei der Abendvisite.«
*
    Es gab vieles, was Nicholas über Paige nicht wusste, als sie heirateten. So feierte sie ihren Geburtstag zwei Wochen zu spät, weil sie ihm das Datum nie verraten hatte. Ihre Lieblingsfarbe hatte er bis zu ihrem ersten Hochzeitstag noch nicht erraten, als sie sich Smaragd- statt Saphirohrringe aussuchte, weil ihr der grüne Glanz so gut gefiel. Und mit ihren katastrophalen Kochkünsten hatte er nun wirklich nicht gerechnet, doch dann versuchte sie, einen Mayonaise-Eintopf zu kochen. Er hatte auch nicht gewusst, dass sie beim Staubwischen Werbejingles sang und dass sie einen Lohnscheck so weit strecken konnte, dass man damit den Studienkredit, Lebensmittel, Kondome und zwei Karten für das Programmkino bezahlen konnte.
    Zu Nicholas’ Verteidigung muss man sagen, dass er auch nicht viel Zeit hatte, seine neue Frau kennenzulernen. Dank seiner Schichten war er häufiger im Krankenhaus als daheim, und nach seinem Abschluss in Harvard hatte er sogar noch weniger Zeit. Wenn er dann müde und halb verhungert in ihre Wohnung stolperte, fütterte Paige ihn, zog ihn aus und liebte ihn, bis er schlief. Schließlich hatte er sich so sehr daran gewöhnt, dass er diese Behandlung einfach erwartete und fast vergaß, dass Paige etwas damit zu tun hatte.
    Als er von seiner ersten Bypassoperation nach Hause kam, schaltete er das Licht in der Wohnung nicht an. Paige war auf der Arbeit. Sie kellnerte noch immer im Mercy , aber nur noch morgens. Nachmittags arbeitete sie bei einem Gynäkologen am Empfang. Den zweiten Job hatte sie angenommen, als es mit Abendkursen in Architektur und Literatur an der Harvard Extension nicht geklappt hatte. Sie hatte nicht gleichzeitig lernen und den Haushalt führen können, und schließlich hatte sie Nicholas gesagt, ein zweites Einkommen bedeute mehr Geld, und mehr Geld bedeute, dass sie ihre Schulden schneller abbezahlen könnten, und dann könnte sie sich eine richtige College-Ausbildung leisten. Damals hatte Nicholas sich gefragt, ob sie sich so nur vor dem Unterricht drücken wollte. Immerhin hatte er ihre Versuche bei der Erstellung von Seminararbeiten gesehen, und die waren höchstens auf Highschool-Niveau. Fast hätte er eine Bemerkung darüber gemacht, doch dann fiel ihm ein, dass man in diesem Stadium der Ausbildung auch nichts anderes erwarten konnte.
    Nicholas erwähnte seine Zweifel Paige gegenüber nie. Er wollte nicht, dass sie es falsch auffasste. Aber Nicholas hatte es einfach gehasst, sie inmitten von vergilbten, gebrauchten Lehrbüchern zu sehen, das Haar aus dem Zopf gelöst, als hätte sie es in ihrer Konzentration herausgedreht. Um die Wahrheit zu sagen, wollte Nicholas Paige einfach für sich allein haben.
    Da es schon weit nach zwei war, war sie wohl in der Praxis des Gynäkologen, aber sie hatte ihm Essen dagelassen, das er sich im Ofen warmmachen konnte. Nicholas aß es

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