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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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über mich, um die Tür auf der Fahrerseite erreichen zu können. Ich versuchte ihm Platz zu machen, während er die Tür öffnete. Und in dem Augenblick, als sie aufsprang, sah ich die beiden im Mondlicht. Weiß auf Schwarz waren Priscilla und Calvin an der Hüfte verknotet. Calvin hatte sich auf seine Arme gestützt und balancierte über ihr, mit angespannten Schultern. Und Priscillas Brüste ragten in die Nacht hinauf, pink und fleckig, wo Bartstoppeln sie zerkratzt hatten. Sie schaute mich direkt an, schien mich jedoch nicht zu sehen.
    Jake zog mich aus dem Wagen und legte den Arm um meine Hüfte. Dann führte er mich zwischen den Autos hindurch nach vorne. Schließlich setzten wir uns ins feuchte Gras, und ich begann zu weinen. »Tut mir leid«, sagte Jake, obwohl es nicht seine Schuld war. »Ich wünschte, du hättest das nicht gesehen.«
    »Ist schon okay«, sagte ich, auch wenn das nicht stimmte.
    »Du solltest nicht mit einem Mädchen wie Priscilla rumhängen«, sagte er und wischte mir mit dem Daumen über die Wangen. Seine Nägel waren rissig und von feinen schwarzen Linien überzogen, dort wo sich Motoröl festgesetzt hatte.
    »Du kennst mich doch gar nicht«, sagte ich und zog mich von ihm zurück.
    Jake hielt mich an den Händen fest. »Aber ich würde dich gerne kennenlernen«, sagte er. Er küsste mich zuerst auf die Wangen, dann auf die Augenlider und schließlich auf die Schläfen. Als er meinen Mund erreichte, zitterte ich am ganzen Leib. Seine Lippen waren so weich wie die Blütenblätter einer Blume und bewegten sich ganz sanft und langsam hin und her. Und obwohl Priscilla und ich so vieles geübt hatten, traf es mich völlig unerwartet. Es war noch nicht einmal ein Kuss, aber meine Brust und meine Schenkel brannten. Da wusste ich, wie viel ich noch zu lernen hatte. Als Jakes Lippen über meine strichen, sprach ich aus, was mir als Erstes in den Sinn kam: »Nicht mehr?«
    Es war eine Frage, und sie war an ihn gerichtet, doch Jake fasste sie nicht so auf, wie sie beabsichtigt war. Er hob den Kopf und zog mich an seine Seite. Doch er küsste mich nicht mehr, kam nicht mehr zu mir zurück. Über unseren Köpfen bewegten sich die Schauspieler wie Dinosaurier, leer und stumm und über neun Meter groß. »Nicht mehr«, sagte Jake leichthin, und mir raste das Herz. Ich schämte mich, und ich wollte mehr.

K APITEL 9
    N ICHOLAS
    Nicholas würde das Herz entnehmen. Es gehörte einer zweiunddreißigjährigen Frau aus Cos Cob, Connecticut, die vor wenigen Stunden bei einem Verkehrsunfall auf der Route 95 gestorben war, in den zwanzig Fahrzeuge verwickelt waren. Am Abend würde es dann Paul Cruz Alamonto gehören, Fogertys Patienten, einem achtzehnjährigen Jungen, der das Pech gehabt hatte, mit einem schweren Herzfehler geboren worden zu sein. Nicholas schaute aus dem Fenster des Helikopters und rief sich Paul Alamontos Gesicht in Erinnerung: die beschatteten grauen Augen, das dichte kohlrabenschwarze Haar und die deutlich pulsierende Halsschlagader. Dieser Junge war nie eine Meile gelaufen, hatte nie Quarterback gespielt und war nie Achterbahn gefahren. Und dieser Junge würde dank Nicholas, Fogerty und eines abgerissenen LKW-Anhängers auf der Route 95 nun eine neue Chance im Leben bekommen.
    Das hier würde Nicholas’ zweite Herztransplantation sein, auch wenn er Fogerty noch immer assistierte. Die Operation war kompliziert, und Fogerty ließ Nicholas Dinge tun, die er sonst niemanden tun ließ, auch wenn er nach wie vor glaubte, Nicholas sei noch zu grün hinter den Ohren, um eine Transplantation alleine vorzunehmen. Doch Nicholas hatte nun schon seit Jahren Aufmerksamkeit im Mass General erregt und unter Fogertys Anleitung fast dessen Niveau erreicht. Er war der einzige Arzt in Facharztausbildung, der Routineoperationen als Chirurg leitete. Fogerty stand noch nicht einmal mehr bei seinen Bypassoperationen daneben.
    Andere junge Ärzte schauten weg, wenn sie ihm in den sterilen weißen Gängen des Krankenhauses begegneten. Sie wollten nicht daran erinnert werden, was sie alles noch nicht erreicht hatten. Nicholas hatte nicht viele Freunde in seinem Alter. Er verkehrte mehr mit den Oberärzten der anderen Stationen des Mass General, mit Männern, die zwanzig Jahre älter waren als er. Mit seinen sechsunddreißig Jahren war er de facto der stellvertretende Chefarzt der Herzchirurgie an einem der prestigeträchtigsten Krankenhäuser des Landes. Und Nicholas meinte, es sei die Sache wert, dass er deswegen

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