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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Rest kannte ich auswendig. »Die Massai leben in Harmonie mit ihrer friedlichen Umwelt, den Zyklen der Natur und in Ehrfurcht vor Gott.« Der Mond ging auf und warf sein gelbes Licht durch das Schlafzimmerfenster. Ich konnte sie klar und deutlich sehen: die Massai-Frau, die vor meinem Bett kniete, ihre Haut dunkel und schimmernd, die Lippen wie Onyx und goldene Reifen um den Hals und an den Ohren. Sie starrte mich an und stahl all meine Geheimnisse. Dann öffnete sie den Mund und sang von der Welt.
    Ihre Stimme war tief und rhythmisch. Eine Melodie, die ich noch nie gehört hatte. Und mit jedem Zittern in dieser Musik schien auch mein Bauch zu beben. Immer wieder rief sie mit ihrer honigsüßen Stimme: Komm mit mir. Komm mit mir. Ich legte die Hände auf den Bauch und spürte das Flattern der Sehnsucht wie ein Glühwürmchen im Glas. Und dann erkannte ich, dass es die Bewegungen meines Babys waren, und ich wusste wieder, warum ich nicht fortgehen konnte.

K APITEL 11
    P AIGE
    Zu meiner großen Enttäuschung wurde Jake Flanagan der Bruder, den ich nie gehabt hatte. Er küsste mich nicht noch einmal nach diesem verlorenen Moment im Autokino. Stattdessen nahm er mich unter seine Fittiche. Drei Jahre lang ließ er mich hinter sich herlaufen, aber mir war selbst das zu weit entfernt. Ich wollte näher an seinem Herzen sein.
    Ich versuchte, Jake dazu zu bringen, dass er sich in mich verliebte. Mindestens dreimal am Tag betete ich darum, und dann und wann wurde ich auch belohnt. Manchmal, nach Unterrichtsende, trat ich auf die Stufen vor Pope Pius hinaus und sah ihn am Geländer lehnen und auf einem Zahnstocher kauen. Ich wusste, dass er seine letzte Stunde schwänzen musste, wenn er den Bus erwischen wollte, um mich nach dem Unterricht abzufangen. »Hallo, Floh«, sagte er, denn das war sein Spitzname für mich. »Und was haben die guten Schwestern dir heute beigebracht?«
    Dann nahm er mir meine Bücher ab und führte mich auf die Straße, als mache er das ständig, und gemeinsam gingen wir zur Autowerkstatt seines Vaters. Terence Flanagan besaß eine Tankstelle mit Werkstatt an der North Franklin, und Jake arbeitete dort nachmittags und an den Wochenenden für ihn. Wenn wir dort waren, hockte ich mich auf den Betonfußboden, und mein Faltenrock wurde auseinandergeweht wie eine Blume, während Jake mir erklärte, wie man einen Reifen oder das Öl wechselte. Er sprach immer mit einer sanften, kühlen Stimme, die mich an das Meer erinnerte, das ich nie gesehen hatte. »Zuerst macht man die Radkappen ab«, sagte er. »Dann lockert man die Schrauben.« Ich nickte, beobachtete ihn und fragte mich, was ich tun musste, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Wochenlang balancierte ich auf einem schmalen Grad. Ich sorgte dafür, dass sich unsere Wege mehrmals die Woche kreuzten, doch nicht so oft, dass ich ihm lästig gefallen wäre. Einmal war ich ihm zu nahe gekommen. »Ich werde dich einfach nicht mehr los«, hatte Jake gebrüllt. »Du bist wie eine Zecke.« Und ich war nach Hause gegangen und hatte geweint und Jake eine Woche Zeit gegeben zu erkennen, wie leer sein Leben ohne mich sein würde. Als er nicht anrief, machte ich ihm keinen Vorwurf daraus. Das konnte ich nicht. Schließlich ging ich in die Werkstatt, als wäre nichts geschehen, folgte ihm hartnäckig von Wagen zu Wagen und lernte alles Mögliche über Zündkerzen, Vergaser und Lenkgestänge.
    Zu diesem Zeitpunkt wusste ich, dass das mein erster Glaubenstest war. Ich hatte von klein auf viel über die Opfer und Qualen gelernt, die andere überlebt hatten, um ihren Glauben zu beweisen: Abraham, Job und auch Jesus selbst. Ich verstand, dass ich geprüft wurde, doch ich hegte keinerlei Zweifel am Ausgang. Ich würde den Preis bezahlen, der von mir gefordert wurde, und dann, eines Tages, würde Jake nicht mehr ohne mich leben können. Das schwor ich mir, und da ich Gott keine Alternative ließ, wurde es nach und nach wahr.
    Aber Jake als bester Kumpel hinterherzulaufen war etwas gigantisch anderes, als die Liebe seines Lebens zu sein. Tatsächlich ging Jake jeden Monat mit mindestens einem anderen Mädchen aus. Ich half ihm sogar, sich auf die Dates vorzubereiten. Ich lag bäuchlings auf dem schmalen Bett, während Jake drei Hemden, zwei Krawatten und eine ausgeblichene Jeans herauslegte. »Zieh das Rote an«, sagte ich zu ihm, »und lass bloß die Finger von dieser Krawatte.« Ich bedeckte mein Gesicht mit dem Kissen, wenn er das Handtuch von der Hüfte fallen ließ und

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