Und dennoch
Volksbegehrens. Beim ersten Versuch scheiterten wir knapp an den geforderten zehn Prozent Bürgerunterstützung, beim zweiten Anlauf gelang es, was damals sensationell in der Sache und überraschend im Ergebnis war. Es war das erste erfolgreiche Volksbegehren überhaupt — und ein Sieg wie David gegen Goliath. Die Konfessionsschulen wurden in christliche Gemeinschaftsschulen umgewandelt.
Wenige Jahre später gab es ein ebenfalls erfolgreiches Volksbegehren zur Rundfunkfreiheit, mit dem die Inbesitznahme des Bayerischen Rundfunks durch die CSU verhindert wurde. Und auch das Begehren zur Abschaffung des kompetenzlosen bayerischen Alt-Herren-Senats, der Zweiten Kammer, sowie die Einführung von Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene bedeuteten weitere demokratische Pluspunkte: Ohne diese in der Bayerischen Verfassung im Artikel 74 verbrieften Mitbestimmungsrechte
gäbe es in Bayern wohl noch immer die konfessionelle Trennung der Schulkinder und keine kommunale Mitsprache der Bürger.
Die Theodor-Heuss-Stiftung zur Stärkung der Demokratie
Bürgerschaftliches Engagement darf sich jedoch nicht in Protesten erschöpfen. Sein Kernstück sind freiwillige und eigenwillige Initiativen, die das Aufwachsen einer nicht von Parteien gesteuerten Kultur demokratischer Verantwortung sowie einer Zivilgesellschaft außerhalb des etablierten Parteienreglements auf den Weg bringen. Hierfür drei Beispiele:
Ein Jahr nach dem Tod von Heuss wurde 1964 die überparteiliche Theodor-Heuss-Stiftung zur Förderung der politischen Bildung und Kultur gegründet, deren Vorsitzende ich über vierzig Jahre lang war. In der Satzung heißt es:
Die Stiftung will die Entwicklung unserer Demokratie kritisch begleiten, positive Entwicklungen ermutigen, Fehlentwicklungen aufzeigen … demokratisches Engagement der Bürger fördern sowie ein offenes Forum für Grundfragen des demokratischen Zusammenlebens sein.
Jahraus, jahrein haben wir mutiges, demokratisches Engagement und Zivilcourage mit Preisen und Medaillen ausgezeichnet und damit Bürgerinnen und Bürger dazu ermutigt, sich am demokratischen Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft zu beteiligen. Bei der ersten Verleihung 1965 wurde nicht nur die bereits erwähnte Aktion Sühnezeichen ausgezeichnet, sondern auch der Theologe und Pädagoge Georg Picht, der die erste Kampagne gegen die deutsche Bildungskatastrophe initiiert hatte (siehe Kapitel 6). 1967 war es die Initiative Student aufs Land , die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Bildungschancen für Landkinder zu verbessern, um so das regionale Bildungsgefälle zu verringern. 1970 folgte die Bürgeraktion zum Schutze der Demokratie
, die im Bundestagswahlkampf 1969 durch unermüdliche Aufklärung dazu beigetragen hatte, dass die NPD an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte und nicht in den Bundestag einzog.
Bereits 1974 wurde die Münchner Initiativgruppe zur Betreuung ausländischer Kinder geehrt — die sich einer damals noch völlig unbekannten und unbeachteten Thematik verschrieben hatte. 1980, 1983 sowie 1996 haben wir sie immer von Neuem aufgegriffen, desgleichen würdigten wir wiederholt Initiativen gegen den aufkeimenden Rechtsextremismus, gegen Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus. Nach dem Fall der Mauer erhielten die DDR-Bürgerrechtler Ulrike Poppe, Jens Reich, Joachim Gauck, Christian Führer und andere Medaillen stellvertretend für »die friedlichen Demonstranten des Herbstes 1989 in der damaligen DDR«.
In den achtziger Jahren wurde von der Heuss-Stiftung ein Stipendienprogramm für Schüler ins Leben gerufen, welches demokratisch engagierte junge Menschen in ihrer Ausbildung unterstützte und förderte.
Im Lauf der Jahrzehnte machte unser Konzept Schule. Als ich die Theodor-Heuss-Stiftung gründete, war sie mit ihrer Zielsetzung noch allein auf weiter Flur. Heute gibt es unzählige ähnliche Projekte: Fast jede Stadt rühmt sich der Auszeichnung aktiver Bürger und beispielgebender Aktivitäten, die der Demokratie als Lebensform weiteren Auftrieb geben. Und das freut die Gründerin der ersten Stiftung zur Förderung der Demokratie als Lebensform.
Eine weitere Initiative ist das von dem Pädagogen Andreas Flitner und mir 1989 gesamtdeutsch gegründete Förderprogramm für Schulen und Schüler: Demokratisch Handeln . Alljährlich werden — mit Hilfe einer Ausschreibung — aus etwa 300 Bewerbungen aus allen Schularten etwa vierzig bis fünfzig Projekte ausgewählt und zu einer viertägigen »Lernstatt Demokratie«
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