und der Geisterzug
der Tür zum Arbeitszimmer. Es blieb keine Zeit, um den Aktenordner an seinen Platz zurückzustellen. Justus kauerte sich unter den Schreibtisch und hielt den Atem an.
Die Schritte verhielten kurz vor der Tür. Dann wurden sie wieder hörbar. Der Bewohner des Hauses ging an der Tür zum Arbeitszimmer vorbei und stieg die Treppe hinauf.
Justus schob sich unter dem Schreibtisch hervor, räumte den Aktenordner zurück ins Regal, stieg durch das Fenster und entschwand wie ein Geist in der Nacht.
Zu Besuch bei Dr. Long
»Justus! Willst du vielleicht mal aufstehen? Der Zug fährt gleich ab!«
»Was?«, schrie Justus, fuhr aus dem Tiefschlaf hoch und starrte aus wilden Augen um sich. »Wie spät ist es?«
Bob, der im Schlafanzug neben Justus’ Bett stand, lachte. »Reg dich wieder ab. Es ist erst neun. Du hast immerhin acht Stunden Schlaf gehabt.«
Justus sackte in die Kissen zurück und wartete darauf, dass sein Herzschlag sich beruhigte. »Acht Stunden, dass ich nicht lache. Ich bin erst um vier eingeschlafen!«
»Wieso das denn?« Peter setzte sich jetzt ebenfalls im Bett auf und rieb sich die Augen. »Sag bloß nicht, dass du doch noch mitten in der Nacht zu Dr. Long gegangen bist.«
»Natürlich nicht. Ich habe euch beim Schnarchen zugehört und nachgedacht.«
»Und das Rätsel der Wachsfiguren mal eben im Alleingang gelöst?«, fragte Bob. »Klasse. Dann können wir ja jetzt in aller Ruhe frühstücken, uns ein paar hübsche Andenken aus dem Museum aussuchen und gemütlich nach Hause fahren, um morgen früh frisch und ausgeruht in die Schule zu gehen.«
»Leider Fehlanzeige. Ich bin der Lösung noch nicht sehr viel näher gekommen.«
»Aber doch ein bisschen näher?«, bohrte Bob.
»Unwesentlich«, brummelte Justus, wühlte den Kopf ins Kissen und schloss die Augen.
»O nein«, sagte Bob. »Wir haben einen Fall zu lösen. Raus aus den Federn!« Und schwungvoll riss er Justus die Decke weg.
Eine halbe Stunde später hockte Justus im Esszimmer am Frühstückstisch und nagte an einem Sandwich.
»Du liebe Zeit«, sagte Mrs Kingsley belustigt, während sie eine Kanne Kakao auf den Tisch stellte. »Was habt ihr denn heute Nacht angestellt?«
»Nichts«, versicherte Peter unschuldig. »Wir haben uns nur – äh – unterhalten. Über das Museum und so.«
»Ist schon ein tolles Museum«, fügte Bob unbedacht hinzu.
Mrs Kingsleys Lächeln verschwand. »Dann seht euch heute noch ein letztes Mal gut um. Morgen wird alles auseinander genommen, und bisher scheint ja nicht viel für deinen Onkel dabei zu sein, Justus.« Abrupt drehte sie sich um und ging in die Küche.
Ein wenig verspätet schreckte Justus hoch. »Wie bitte? Doch, es ist klasse, mir gefällt’s auch …«
»Zu spät«, sagte Bob. »Sie ist schon weg.«
Justus blinzelte. » … oh.«
»Justus, unsere Denkmaschine«, sagte Peter. »Wie willst du eigentlich ein Rätsel lösen, wenn du vor lauter Müdigkeit nicht mal merkst, dass dir der Honig aufs T-Shirt tropft?«
Justus blickte an sich herunter. » … Mist. Bin gleich wieder da.« Er stand auf und trottete aus dem Zimmer.
Eine Viertelstunde später kam er wieder herein – in einem sauberen T-Shirt, mit nassen Haaren, hellwach, topfit und bestens in Form. »Also, Kollegen, als erstes gehen wir zu Dr. Long. Ich bin überzeugt, dass er uns ein paar nützliche Informationen geben kann. Und danach reden wir noch einmal mit Carl. Seid ihr endlich fertig mit dem Frühstück?«
In der Telefonzelle am Bahnhof warfen sie einen Blick in das zerfledderte Telefonbuch und fanden heraus, dass es zehn Longs in der Chan Valley Road gab, aber nur einen, der Arzt war. Justus rief sofort an. Die leise Stimme mit der präzisen Aussprache meldete sich schon beim zweiten Klingeln.
»Dr. Philip Long.«
»Guten Morgen, Dr. Long«, sagte Justus. »Hier spricht Justus Jonas von den drei Detektiven. Tut mir Leid, dass wir Sie am Sonntag stören, aber wir hätten Sie gerne einmal gesprochen. Ist es Ihnen Recht, wenn wir jetzt gleich bei Ihnen vorbeikommen?«
»Guten Morgen, Justus Jonas. Geht es um das verletzte Knie deines Freundes?«
»Das weniger«, sagte Justus. »Wir haben ein paar Fragen über die Wachsfiguren im Museum.«
»Ich erwarte euch«, sagte Dr. Long und legte auf.
Wie der Rest von Harrowville hatte auch die Chan Valley Road ihre besten Tage schon lange hinter sich. Die Straße, die parallel zu den Gleisen verlief, zweigte etwa dreihundert Meter hinter dem Bahnhof nach links ab und
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