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und der Herr der Loewen

und der Herr der Loewen

Titel: und der Herr der Loewen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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ein verschlungenes Schlangenpaar die ubangibanische Fahne und war in den heiligen Wappenring des Königs eingraviert. Der Rest der Geschichte verlief prosaischer. Im Vertrag von Versailles war das Land den Briten gegen ihren Willen zugesprochen worden, doch deren Bemühungen, in den folgenden Jahren die Wirtschaft des kleinen Landes anzukurbeln, waren frucht los geblieben. Ubangiba hatte keinen Zugang zum Meer, eine schlechte Infrastruktur, und seine einzigen Ausfuhrartikel waren Tierfelle, Sonnenblumenkerne und Erdnüsse. England muß erleichtert gewesen sein, dachte Mrs. Pollifax, als es dem Land die begehrte Unabhängigkeit geben konnte. Die Sonne schien heiß und Sammats Warnung vor Skorpionen hielt Mrs. Pollifax davon ab, die nähere Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen. Sie ging durchs Tor und fand einen Felsblock, auf dem sie sich niederließ, um über ein Gefühl nachzudenken, das sie nicht zu ergründen vermochte. Gewiß, hier war die Vergangenheit wach, aber das konnte nicht der alleinige Grund ihrer seltsamen Reaktion sein.
    Vielleicht erlebte sie hier, was Sammat die Seele des Landes nannte, aber auch die von ganz Afrika, wo die Zeit ihren Ursprung hatte, sowie die Menschheit überhaupt. Hier in den Ruinen dieses alten Königshorts machte kein Laut sich breit, das Laub hing schlaff und still von den Bäumen, es gab nur die Erde, die aus der Erde erstandene Stätte, die Dächer aus Stroh, das wiederum aus der Erde gewachsen war, die Wände aus Lehm, Dung und Stroh, die Säulen und Wände, die liebevoll aus Holz geschnitzt waren.
    Wie erdverbunden die Menschen doch gelebt hatten, und sie dachte, wenn es so etwas wie Erdgeister gäbe, würden sie hier zu Hause sein, nicht in den neuen Palästen aus Glas und Marmor, Metall und Kunststoff. Sammat verließ sich auf die Erde, vertraute ihr; er wollte, daß die ubangibanische Landwirtschaft das Volk ernähren konnte wie vor der Zeit, da die Diktatoren Land und Leute ausgeblutet hatten. Falls diese grauenvollen Gerüchte von Zauberei Sammat aus seiner Heimat vertrieben, was würde dann aus diesem von der Sonne durchglühten Land von Busch und grünenden Feldern und Wüste werden, und aus dem Krankenhaus, der freien Presse und den neuen landwirtschaftlichen Experimenten?
    Ein Perlhuhn unterbrach ihre Gedankengänge. Mrs. Pollifax lächelte, als sie sah, wie es sich -
    entrüstet über ihre Anwesenheit - rasch hinter die Mauer der heiligen Stätte in Sicherheit brachte. Aber mit der Flucht des Perlhuhns hatte sich etwas verändert und plötzlich fühlte Mrs. Pollifax sich beunruhigt. Jemand beobachtet mich, dachte sie betroffen. Ich fühle es!
    Jemand hat sich zwischen den Bäumen versteckt, deshalb ist das Perlhuhn dort
    herausgekommen. Sie wußte nicht so recht, was sie tun sollte. Ihr erster Gedanke war, zwischen den Bäumen nachzusehen, wer sich dort befinden mochte. Aber der Überfall auf Kadi und die scheinbar durch Löwen Getöteten hielten sie zurück. In diesem Moment trat Sammat aus dem Schrein und kam zum Tor. »Wollen wir jetzt zurückfahren?« schlug er vor.
    Sie erwähnte nicht, daß sie sich beobachtet fühlte. Im Landrover erkundigte sie sich höflich:
    »Stimmt es, daß man in Afrika zu seinen Ahnen betet?«
    Sammat lachte. »Wissen Sie, ich besuchte in Yale Vorlesungen über
    Religionswissenschaften. Vor allem interessierte mich der Katholizismus mit seinen vielen Heiligen. Ich erfuhr, daß Katholiken zu ihren Heiligen beten - die alle einmal als Menschen gelebt hatten -, daß sie Kerzen für sie anzünden, ihnen Gaben darbringen und sie um ihre Hilfe und Führung bitten. Auf die gleiche Weise verehren wir unsere Vorfahren. Wir beten zu ihnen, weihen ihnen besondere Festtage, und bieten ihnen Opfer dar Gaben - und hoffen auf ihre Führung und Hilfe. Besteht da ein so großer Unterschied? Ich weiß nicht. Wir glauben gern, daß unsere Ahnen noch über uns wachen, selbst wenn viele davon«, fügte er lächelnd hinzu, »nicht gerade das Zeug zum Heiligen hatten.«
    Neugierig fragte sie: »Und haben Sie im Schrein ein Opfer dargebracht?«
    »Selbstverständlich«, antwortete er ernst, »und von ganzem Herzen gerade jetzt um Hilfe gebetet.« Sie nickte. Er brauchte nicht zu erklären, weshalb.

6
    Um fünf Uhr am nächsten Morgen wurde Mrs. Pollifax durch ein Klopfen an der Tür geweckt. Verschlafen stolperte sie aus dem Bett, öffnete und sah sich Joseph gegenüber, der ein reichbeladenes Frühstückstablett trug. »Moni!« sagte er. »Es ist

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