und der Herr der Loewen
es vergessen hätte, denn auch ihre Gedanken weilten noch bei den durchwühlten Akten im Tresorraum, durch die der gestrige Fund in den Hintergrund gedrängt worden war.
Lächelnd versicherte Tony Sammat: »Ich ging mit größter Behutsamkeit vor, Sir, das dürfen Sie mir glauben. Ich lieh mir von Ihrem englischen Werkmeister zwei breite Planken und zwei Arbeiter aus - dafür entschuldige ich mich - und wir bauten einen kleinen Schacht in schrägem Winkel zu der Fundstätte des Totenschädels. Dann siebten wir jeden
Kubikdezimeter Erde und sehen Sie, was wir gefunden haben!«
»Stimmt, Sie erwähnten gestern Ihre Fahrt zum Bergwerk«, bemerkte Sammat abwesend.
»Ich bin umgehend zurückgeeilt«, fuhr Tony begeistert fort.
»Ich hätte gern Ihre Erlaubnis, Sir, meinen Freund, den Archäologen Dr. Gibbons, anzurufen oder ihm zu telegrafieren, um ihm von diesem Fund zu berichten. Sehen Sie, das ist die abgebrochene Tülle eines ziemlich großen Tonkrugs, und betrachten Sie nur die Muster auf diesem Bruchstück! Mit einem Kamm eingeritzte Wellenlinien - eine uralte Arbeitsweise -
und darunter winzige Ringe, die diesem Meisterwerk die besondere Note geben.
Wunderschön! Hier ist eine Steinperle - Glasperlen fanden ihren Weg erst spät nach Afrika, da Glas europäischen Ursprungs ist. Und bewundern Sie dieses fünf Zentimeter lange Fragment einer Kupfer-und Steinperlenkette! Es könnte Teil einer Halskette sein, die zu dem ausgegrabenen Schädel gehörte.
Und da ist natürlich auch noch das Medaillon, das Mrs. Pollifax fand. Außerdem entdeckten wir diese anderen winzigen Fragmente.« Das alles sprudelte wie ein Wasserfall aus ihm heraus. Die Patienten im Krankenzimmer konnten gar nicht anders, als es mitanzuhören und über seine so offen zur Schau getragene Begeisterung zu staunen.
Nur Sammat blickte zweifelnd auf die zur Ansicht verteilten Fragmente. Dr. Merrick sagte taktvoll: »Sie müssen wissen, daß er mit Archäologen zusammengearbeitet hat. Ich meine nur, falls Sie sich wundern.«
Sammat sah plötzlich unendlich müde aus, als bürde man ihm eine weitere Last auf. »Was schlagen Sie vor? Ich sage Ihnen aber gleich, daß wir Sie nicht von der Farm beurlauben können, und ich bezweifle, daß World Aid erfreut wäre, wenn Sie weitere Ausgrabungen vornähmen, statt auf der Farm zu arbeiten.«
Tony schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie etwas dagegen haben, wenn ich mich mit Dr. Gibbons in Verbindung setze. Er hält zur Zeit Vorträge in London. Ich kann von allen Ausgrabungsstücken Fotos machen und ihm diese zusenden.
Aber wie gesagt, ich würde zuerst gern mit ihm telefonieren oder ihm kabeln. Es könnte sein, daß er hierherkommen möchte, um sich selbst ein Bild zu machen. Und«, fügte er hinzu, »es wird Ubangiba lediglich ein Visum kosten.«
»Oh«, sagte Sammat erleichtert. »Selbstverständlich haben Sie meine Erlaubnis, ihn anzurufen und die Sachen zu fotografieren.«
»Die Sache ist so, daß dieses Flöz Jahrtausende zur Entwicklung benötigte«, erklärte Tony.
»Diese Anhöhen müssen Überreste von Sümpfen und Wäldern sein, genau wie jene, die Algerien durchziehen und von denen bei Kenadsa und Mazarif Kohle geschürft wurde. Wenn Ihr Flöz ebenfalls aus jener Zeit stammt, könnten diese Funde jahrhundertealt sein.«
Mrs. Pollifax warf einen verstohlenen Blick auf Sammat und dachte an die Ironie, zu ihm von Äonen zu sprechen, wenn er nicht wußte und unter der Unsicherheit litt, was in allernächster Zukunft aus seinem noch immer von Unruhen erschütterten Land werden würde.
»Touristen, Sammy!« warf Kadi plötzlich vergnügt ein.
»Vielleicht sollten wir hier ein Museum eröffnen!«
»Ja, vielleicht«, entgegnete Sammat höflich. Mit einem gezwungenen Lächeln verließ er die Gruppe, die sich wieder über die Funde beugte und Ubangiba schon als Traumziel des Kultur-Tourismus sah. Zumindest ist es eine willkommene Ablenkung von den
Löwenmorden und dem Überfall auf Kadi im Garten, dachte Mrs. Pollifax.
Tony machte sich bereits daran, die Fragmente, die er auf der Decke ausgebreitet hatte, behutsam in seinem Rucksack zu verstauen. »Ich möchte so schnell wie möglich in unser Büro und Dr. Gibbons in London anrufen.« Er lächelte Kadi an. »Sie sind ja auch an dieser Entdeckung beteiligt, hätten Sie nicht Lust mitzukommen? Während ich versuche, Dr.
Gibbons zu
erreichen, kann ich Ihnen etwas anbieten, was hier eine Seltenheit ist: ein
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