und der Herr der Loewen
sich auf dem Rückweg zur Missionsklinik, als sie die Schüsse hörte. Sie versteckte sich und beobachtete alles durch das Dickicht. Aber was viel beunruhigender ist, sie gab inzwischen zu, daß sie das Gesicht eines der Mörder gesehen hat, und daß er sich umdrehte und sie sah. Das macht sie zur Zeugin und gefährlich für die Mörder, falls sie noch am Leben sind.«
»Nein, das wußte ich nicht«, sagte Dr. Merrick erschüttert.
»Nur, daß ihre Eltern in einem Dorf in der Nähe umgebracht worden sind. Sie vermuten also, daß der Angreifer im Garten einer dieser drei Männer sein könnte?«
»Es macht mir große Sorgen, seit wir es wissen«, gab sie zu.
»Schon bevor ich mit ihr hierherkam. Tatsächlich ist das der Grund, weshalb Cyrus und ich fanden, daß ich sie begleiten müsse, daß einer der drei Männer befürchten könnte, von ihr identifiziert zu werden.«
»Hmmm«, murmelte er nachdenklich. »Das könnte wichtig sein, nun da Ubangiba sich so verändert hat und jetzt Gesetz und Ordnung herrschen und es Gerichte und Richter et cetera gibt.
Aber wenn man dieser Möglichkeit nachgeht, müßte das dann nicht bedeuten, daß einer dieser drei so bekannt und renommiert geworden ist, daß es sein Ruin wäre, wenn publik würde, daß er einer von Simokos Meuchelmördern war?«
Sie bedachte ihn mit einem raschen Blick. »Das ist sehr scharfsinnig von Ihnen. Es würde zweifellos sein Motiv erklären, so viele Jahre nach den Ermordungen, nicht wahr?«
Sie nickte. »Ein gewöhnlicher Bürger, der ein einfaches und unauffälliges Leben führt, würde vielleicht nicht einmal wissen, daß Kadi hier ist, und es würde ihn bestimmt nicht alarmieren.
Bei einem Mann mit Ansehen dagegen«, sie machte eine Pause, »der einen Ruf zu schützen hat und ihn behalten will, ist das eine andere Sache«, betonte sie.
Sie dachte interessiert weiter darüber nach. »Ein angesehener Mann«, murmelte sie. »Dr.
Merrick, Sie haben mich da auf etwas Wesentliches aufmerksam gemacht, dafür danke ich Ihnen. Bis jetzt fühlte ich mich hier als Fremde, als Ausländerin, völlig hilflos und nutzlos.«
Sie nickte zufrieden und schälte das hartgekochte Ei ab. »Ich werde die Schlaftablette nehmen, die Sie mir vorsorglich gebracht haben, und dieses Dinner aufessen, denn ich sehe schon, daß ich morge n einen anstrengenden Tag vor mir habe und meine Kräfte brauche.«
Dr. Merrick grinste. »Sie möchten mir wohl nicht sagen, was Sie tun werden?«
»Ich habe selbst noch nicht die leiseste Ahnung«, gestand sie nun fast heiter. »Aber Sie haben mich an etwas erinnert, was ein Arzt mir einst sagte, als meine Kinder noch klein waren und ständig mit Steinchen und Glassplittern in den Knien heimkamen, die herausgeholt werden mußten.«
Das amüsierte Dr. Merrick. »Und was hat er zu Ihnen gesagt?«
»Er sagte: ›Bluten Sie nie für den Patienten, überlassen Sie das ihm. Sorgen Sie lieber dafür, daß die Arbeit getan wird.‹ Ich war so damit beschäftigt, mich Kadis wegen zu quälen -
sozusagen für den Patienten zu bluten. Aber jetzt ist Zeit, damit aufzuhören und die Arbeit zu tun. Wobei ich natürlich die Erfahrung nutzen werde, die ich in einigen anderen gefährlichen Situationen gesammelt habe«, fügte sie ohne jegliche Erklärung hinzu. Sogleich bewies sie ihre neue Entschlossenheit, indem sie die gebackene Hühnerbrust so heftig mit dem Messer attackierte, daß Dr. Merrick sie erschrocken ansah.
15
Da Mrs. Pollifax nicht gewöhnt war, Schlaftabletten zu nehmen, hielt die Wirkung länger an als bis acht Uhr, ihrer üblichen Zeit aufzustehen - sie erwachte erst um halb zehn. Sie betrachtete die Welt, deren Herausforderungen und Gefahren sie sich wieder stellen mußte, sobald sie gefrühstückt hatte, und erinnerte sich an einen gewissen Tatendrang, den Dr.
Merricks später Besuch nach sich gezogen hatte. Der lange, tiefe Schlaf hatte ihre Entschlossenheit nur verstärkt, doch jetzt fragte sie sich, wie in aller Welt sie diese Entschlossenheit einsetzen konnte, um Kadi zu finden, wenn niemand sonst es
fertigbrachte. Sie hatte zu Sammat gesagt, daß sie als mzungu Dinge wahrnehmen konnte, die von anderen vielleicht übersehen wurden, andererseits waren ihr in einem fremden Land wohl Grenzen gesetzt, wenn sie intensivere Nachforschungen betreiben wollte. Auf jeden Fall brachte das Herumliegen und Nachdenken sie nicht weiter. Es war höchste Zeit, diese kleine Flamme der Entschlossenheit zu nähren...
Scharma zu besuchen, mit
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