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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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zu werden. Sie hätte das Kind bestimmt nicht auf der Straße bekommen, wenn sie andere Möglichkeiten gehabt hätte - wie zum Beispiel ein Auto. Vielleicht ist das Mädchen noch zu jung, um einen Führerschein zu haben, oder sie besitzt kein Auto. Deswegen ist sie zu Fuß bis zu der betreffenden Stelle gegangen. Was bedeutet, dass ich nach einem Mädchen suche, das nur einen Fußmarsch von dieser Seitenstraße entfernt wohnt.« »Oder...«
    »Oder eine Obdachlose.«
    »Ganz genau«, sagte Decker. »Was für eine Hautfarbe hat das Baby?«
    »Mittelbraun. Sie könnte jeder Rasse angehören, außer vielleicht der ganz hellhäutigen, nordischen. In meinem Revier sind sämtliche Hautfarben vertreten.«
    Die Kellnerin, ein wenig mürrisch und mit Ringen unter den Augen, brachte unser karges Frühstück. Wenn wir damit fertig waren, würde sich ihre Laune ein wenig bessern, denn ich hatte vor, Decker einzuladen, und ich gab grundsätzlich viel Trinkgeld.
    Nachdem sie wieder gegangen war, meinte Decker: »Auch was die Rasse des Babys betrifft, könnte dir die Blutuntersuchung weiterhelfen. An deiner Stelle würde ich im Krankenhaus anrufen.«
    »Brauche ich dafür nicht so was wie eine gerichtliche Verfügung?«
    »Wahrscheinlich. Aber manchmal lassen die Laborleute auch mit sich reden. Am besten, du schaust vorbei und sprichst persönlich mit ihnen.«
    Ich musste an Koby denken. Ob er heute wohl arbeitete? »Gute Idee.« Ich wärmte mir die Finger an meiner Kaffeetasse. »Und wie läuft's bei dir so, Dad?«
    »Alles im grünen Bereich.«
    Ich musterte meinen Vater aufmerksam. Die letzten Monate waren hart für ihn gewesen. Er hatte Dinge erlebt, über die er nicht sprechen wollte. Er ließ sich nichts anmerken - das tat er fast nie -, aber ich wusste es besser. Trotz seiner stoischen Miene gab es ein paar Anzeichen, die ihn verrieten: das leichte Zucken der Mundwinkel, die
    Art, wie er den Blick abwandte. Ich lenkte das Gespräch auf ein neutrales Thema. »Wie geht's der Familie?«
    »Großartig.« Es klang, als würde er es wirklich so meinen.
    »Und meiner Hannah Banana?«
    »Deine Schwester kann einem richtig Angst machen.«
    »Wahrscheinlich hat sie mit ihren zehn Jahren schon einen größeren Wortschatz als ich.«
    »Größer als meiner ist er auf jeden Fall.«
    »Kommt Jacob am College klar?«
    »Bestens, ja. Nett von dir, dass du fragst, Cindy.«
    »Und Sammy? Hast du letztes Mal nicht was von einer Freundin gesagt?« Ich bemerkte die Überraschung in Dads Augen. »Siehst du? Ich hör dir eben zu, wenn du mir was erzählst.«
    »Soweit ich informiert bin, sind er und Rachel noch ein Paar.« Decker nahm meine Hand. »Und wie geht es dir, Prinzessin?«
    »Gut, Dad. Ich warte geduldig darauf, in die Reihen der Detectives aufgenommen zu werden. In der Zwischenzeit lerne ich für meine Sergeantprüfung. Es ist schon eine Weile her, dass ich zur Schule gegangen bin, aber es läuft ganz gut.«
    »Du warst schon immer ein gescheites Mädchen.« Er ließ meine Hand wieder los, fingerte an seiner Kaffeetasse herum. »Kommst du ab und zu auch mal raus?«
    Sein Blick war auf einen Punkt über meiner Schulter gerichtet. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich meinetwegen Sorgen machte. Die Wahrheit war, dass wir beide schlimme Dinge erlebt hatten, die uns beinahe das Leben gekostet hätten. Und weder er noch ich wollten darüber sprechen.
    »Keine Angst, Dad, es geht mir gut. Wenn du mir helfen willst, dann gib mir ein paar Tipps, wie ich die Mutter finden kann. Selbst wenn sie ihr Kind nie wiedersieht, hat die Kleine ein Recht darauf, etwas über ihre Abstammung zu erfahren, findest du nicht auch?«
    »Klar.«
    »Irgendwelche anderen Ratschläge, abgesehen vom Krankenhauslabor?«
    »Klappere die Schulen in der Gegend ab, Mid-City High zum Beispiel, und beschränke dich nicht nur auf die oberen Klassen. Du suchst schließlich nach einem Mädchen ohne Auto. Frag die Lehrkräfte, ob ein Mädchen schwanger war und in den letzten Tagen gefehlt hat. Oder ob eine schwanger ausgesehen hat.«
    »Gute Idee.« Ich fühlte mich plötzlich richtig frustriert. Warum war mir das nicht selbst eingefallen? Natürlich merkte Decker, was los war.
    »Cynthia, es ist doch klar, dass ich als alter Hase mehr weiß als du.« Sein Lächeln wirkte zärtlich und ein bisschen traurig. »Obwohl ich mir da manchmal gar nicht so sicher bin. Unfehlbar bin ich deswegen ganz bestimmt nicht.«
    Ich wartete darauf, dass er weitersprechen würde,

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