Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
eine Serviette über die Schulter gelegt und wiegte das Baby an meiner Brust. »Meinen Sie, Sie könnten noch so eine Serviette organisieren, sie in ein wenig warmes Zuckerwasser tauchen und mir dann bringen?« Der Mann eilte davon. Das Weinen des Babys hatte sich inzwischen in ein leises Schluchzen verwandelt. Mir wurde plötzlich bewusst, dass sich auch meine eigenen Wangen feucht anfühlten. Ich war unglaublich erleichtert darüber, dass die Sache gut ausgegangen war. Delacruz kam bereits mit der zuckerwassergetränkten Serviette zurück.
    Ich schob der Kleinen eine Ecke des süßen, warmen Tuchs in den Mund. Sofort begann sie gierig zu saugen.
    In der Ferne war das Heulen einer Sirene zu hören. »Nun wird es aber Zeit, dass du ins Krankenhaus kommst, meine Kleine. Du bist wirklich ein starkes Persönchen, das muss man dir lassen!«
    Vorsichtig übergab ich sie wieder Delacruz. »Por favor, bringen Sie sie den Sanitätern. Ich muss mir dringend die Hände waschen.« Ich roch immer noch wie eine schon etwas faulige Frucht.
    Vorsichtig setzte er sich mit dem kleinen Bündel in Bewegung. Am liebsten hätte ich die Szene fotografiert. Es war wirklich rührend, wie dieser Macho-Mann spanische Worte ins Ohr dieses winzigen Lebewesens gurrte. Die Polizeiarbeit kann einem manchmal das Herz brechen, aber es gibt auch Momente, die das wieder wettmachen. Von der Last des Babys befreit, trat ich durch die Hintertür des Tango und fragte einen der Spüler, wo ich mich waschen könne. Hinter mir schnappte jemand nach Luft. Ich drehte mich um. Ein dünner Mann, der eine Strickmütze trug, versuchte mich mit hektischen Handbewegungen zu verscheuchen. »Hierr wirrd Essen zuberreitet! In diesem Zustand können Sie nicht hierr herrein!«
    »Ich habe dort draußen gerade fünfzehn Müllsäcke geöffnet und ein Baby aus dem Müllcontainer gerettet«, erklärte ich und fixierte ihn dabei mit einem durchdringenden Blick. »Ich muss mir die Hände waschen.«
    Mr. Strickmütze starrte mich verwirrt an. »Hierr? Ein bebe}«
    »Ja, Sir, hier! Ein bebel « Mein Blick fiel auf ein Spülbecken voll dampfender Seifenlauge. Wortlos ging ich hinüber und tauchte meine Hände in das Wasser. Und wenn schon! Das ganze Geschirr musste doch sowieso in die Spülmaschine, oder etwa nicht? Nachdem ich meine Hände gesäubert hatte, drehte ich das kalte Wasser auf und wusch mir das Gesicht. Einer der Küchenangestellten war so nett, mir ein sauberes Handtuch zu reichen.
    Inzwischen war der Krankenwagen eingetroffen, rotes Licht blinkte durch die Fenster. Ich deutete auf Mr. Strickmütze und durchbohrte ihn erneut mit meinem Blick. »Ich bin gleich wieder da. Rühren Sie sich nicht von der Stelle. «
    Die Sanitäter hatten bereits die Nabelschnur durchtrennt. Ich sah ihnen dabei zu, wie sie das Baby säuberten. Eine kräftige dunkelhäutige Frau hielt es auf dem Arm, während ein dünner, leicht schwindsüchtig aussehender Junge vorsichtig das kleine Gesicht abwischte. Beide trugen Handschuhe.
    »Wie geht es ihr?«, fragte ich.
    Sie blickten auf. Der dünne Junge grinste mich an.
    Auf seinem Namensschild stand B. HANOVER. »Wie geht es ihr?«, wiederholte ich.
    »So weit gut «, antwortete die Frau. Sie hieß Y. Crumack.
    »Das ist schön.«
    Ein paar Schritte weiter wartete die in Plastik verpackte Plazenta des Kindes darauf, ins Labor gebracht zu werden. Man würde sie auf Krankheiten und genetische Merkmale untersuchen, die möglicherweise Rückschlüsse auf die Identität der Kleinen zulassen würden. Ohne darüber nachzudenken, griff ich nach der Plastiktasche.
    »Das brauchen wir noch«, erklärte Crumack. »Es muss untersucht werden.«
    »Ja, ich weiß. Wo bringen Sie sie hin?«
    »Ins Mid-City Pediatric Hospital«, antwortete die Sanitäterin, die sich nun anschickte, das Baby im hinteren Teil des Krankenwagens auf einer Kinderliege festzuschnallen. Das kleine Mädchen hatte wieder zu schreien begonnen, was ich als positives Zeichen wertete. Ich reichte Crumack die Tüte mit der Plazenta.
    »Sie klingt hungrig«, stellte ich fest.
    »Hungrig wie eine Löwin«, bestätigte Crumack. »Ihr knurrt der Magen.«
    »Ihr Kopf sieht so seltsam aus... irgendwie... länglich? Was hat das zu bedeuten?«
    »Das kommt wahrscheinlich von dem Druck während der Geburt. Hauptsache, er ist nicht gebrochen. Wenn man bedenkt, was alles hätte schief gehen können, hat sie großes Glück gehabt. Sie hätte etwas verschlucken und ersticken oder von dem ganzen Müll

Weitere Kostenlose Bücher