und der magische Stein
geschafft hatte. Aber da er nun tot war, konnte er keine Fragen mehr beantworten. Die Bank wollte für das verschwundene Geld nicht haften, solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen waren. Das war vor fünf Jahren gewesen.
Trotz aller Anstrengungen war Sheldons Vermögen nie gefunden worden. Es schien, als habe Pierre das Geheimnis mit in sein Grab genommen. Grandma gab die Hoffnung auf, das Familienerbe jemals wieder zu Gesicht zu bekommen. Sie kehrte mit den wenigen Ersparnissen, die ihr geblieben waren, nach England zurück und zog kurz nach Flames neuntem Geburtstag bei Colin, Ottalie und den Mädchen auf Cantrip Towers ein. Auch wenn sie der Verlust von Sheldon tief schmerzte und sie sich bis zum heutigen Tag fragte, was aus ihrem Erbe geworden war, genoss sie es, bei ihrer Familie zu sein. Und sie freuten sich, sie bei sich zu haben.
An diesem Nachmittag, während eine warme Brise durch das offene Fenster hereinwehte, setzte sich Marilyn Cantrip an ihren hübschen Schreibtisch aus Rosenholz.
Auf der Tischplatte stand ein Computer. Es war Zeit, online zu gehen und nach ihren Aktien zu sehen. Grandma liebte den Nervenkitzel des Aktienhandels. Sie mochte ihre magischen Kräfte verloren haben, aber sie hatte immer noch ein feines Gespür, das so präzise war wie das Echolot einer Fledermaus und ihr sagte, in welche Richtung sich die Märkte entwickeln würden.
Seit sie auf Cantrip Towers eingezogen war, hatte sie ihr Talent als geschäftstüchtige Anlegerin bewiesen und ihr bescheidenes Grundkapital in eine ansehnliche Summe verwandelt. Es war nicht genug, um das Dach von Cantrip Towers zu reparieren, aber es würde reichen, um Colin und Ottalie im Notfall unter die Arme zu greifen.
Zuerst sah sie nach ihren E-Mails. Sie fand eine Mail von Susan in ihrem Postfach, einer alten Freundin, die immer noch in Südfrankreich lebte.
Wie schön, von ihr zu hören, dachte Grandma.
Susan schrieb, dass sie in der Lokalzeitung auf einen Artikel über Sheldons Rechtsanwalt gestoßen war. Die Polizei hatte neue Erkenntnisse veröffentlicht. In ihrem Bericht hieß es unter anderem, dass Pierre nur wenige Monate vor seinem Tod geheiratet hatte.
Warum hat Pierre seine Frau nie erwähnt, dachte Grandma. Was für einen Grund kann er gehabt haben, sie vor uns zu verstecken?
Susan berichtete weiter, dass ein alter Freund von Pierre zitiert wurde, der sagte, er sei Zeit seines Lebens ein anständiger Kerl gewesen. Aber in den Monaten kurz vor seinem Tod habe sich Pierre völlig verändert. Er sei sehr geheimniskrämerisch geworden. Es schien, als hätten nicht einmal seine besten Freunde von seiner Heirat gewusst. Dann war Pierre ganz unerwartet gestorben. Zur gleichen Zeit löste sich auch Sheldon Cantrips Vermögen in Luft auf. Pierres Frau war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Ihre Identität blieb ein Rätsel, da sie einen falschen Namen und falsche Papiere benutzt hatte. Noch etwas , schrieb Susan, die Polizei glaubt, dass seine Frau Engländerin war. Man nimmt an, dass sie nach Südamerika gegangen ist. Ich versuche noch mehr herauszufinden und melde mich dann wieder bei dir
.
Grandma guckte am Bildschirm ihres Computers vorbei aus dem Fenster. Sie sah die lange, von Bäumen gesäumte Auffahrt und die reifen Gerstenfelder in der Ferne.
Ob Pierres Frau das ganze Geld hat?, dachte sie. Vielleicht hat sie ihn von Anfang an betrogen, und Pierre hat das nicht erkannt. Warum hat er nicht gewollt, dass wir von ihr erfahren? Oder war
sie
es, die das nicht gewollt hat? Vielleicht hatte sie etwas vor uns zu verbergen?
Grandma verlor sich in ihren Erinnerungen. Wir waren so glücklich, Sheldon und ich, dachte sie. Ich vermisse ihn immer noch …
Da signalisierte ihr ein kleiner Briefumschlag, dass sie eine neue E-Mail bekommen hatte.
Es war eine weitere Nachricht von Susan.
Ich habe gerade den Namen der Frau herausgefunden , schrieb sie. Die Polizei glaubt, ihr Nachname sei Frost. Klingelt da etwas bei dir?
Grandma starrte schockiert auf den Bildschirm. Sie schnappte ungläubig nach Luft.
Frost.
»Das kann nicht sein!«, rief sie entsetzt.
In ihrem Kopf begannen die Gedanken zu rasen, sie überlegte fieberhaft, ob ihre Ahnung wahr sein könnte. Gleichzeitig fühlte sich ihr Körper eiskalt an, und ihre Finger waren taub.
»Nein!«, sagte sie ungläubig und stöhnte auf. Der Laut kam aus ihrem tiefsten Inneren.
Eine Weile saß sie einfach nur da, den Kopf in die Hände gestützt. Dann sah sie auf und blickte
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