… und der Preis ist dein Leben II - Ruf der anderen Seite (German Edition)
gefürchtet, sich in Reisegruppen einzuschleichen und dann die ahnungslosen Reisenden bei Nacht zu erdrosselten und auszurauben. Allerdings kursierten immer wieder Gerüchte, die Thuggees wären nicht nur einfache Räuber, sondern ein religiöser Kult, der geheime Rituale und blutige Zeremonien zu Ehren der Göttin Bhowanee abhielt.“
„Bhowanee“, flüsterte Elizabeth. „Womit wir wieder bei den Dolchen wären.“
„Ganz genau. Das Dumme ist nur, die Thugs gelten dank unserer tapferen Jungs in Indien seit 1870 als ausgemerzt …“
„Und wie kam man dann 1957 auf die Idee, einen seit fast neunzig Jahren nicht mehr existierenden Kult zu verdächtigen?“, fragte Daniel.
„Anscheinend gab es einen konkreten Hinweis aus dem Umfeld eines der Opfer“, erklärte Wood, nachdem Elizabeth die Frage wiederholt hatte. „Doch nachdem man der Spur für kurze Zeit gefolgt war, hat man sie auf einmal als zu zweifelhaft eingestuft und sich nicht mehr damit beschäftigt.“
„So, als wäre ein Befehl von oben gekommen“, vermutete Elizabeth.
„Ganz genau so.“
„Also was heißt das?“, überlegte Daniel und ging einige Schritte vor der Bank auf und ab. Das Spiel war für ihn nun völlig vergessen. „Haben wir es mit einem indischen Kult zu tun, der offiziell als ausgemerzt gilt, aber im Geheimen weiterexistiert? Hier in London? Was haben die toten Jungs mit diesem Kult zu tun? Was habe ich damit zu tun? Immerhin habe ich noch nie zuvor davon gehört. Und wenn das heute wirklich der gleiche Kult wie damals ist, warum strangulieren sie ihre Opfer nicht mehr?“
„Wie wäre es mit folgender Erklärung?“, bot Elizabeth an. „Tony sagte, diese Thugs waren dafür berüchtigt, ihre Opfer zu ermorden und zu berauben. Vielleicht hatten die Mörder ja gar kein Interesse an den Opfern, sondern lediglich an dem Gegenstand, den sie jeweils gestohlen haben, doch es ist Teil ihres Rituals, den Besitzer zu töten.“
„Nein“, schüttelten Daniel und Wood gleichzeitig den Kopf. „Warum haben sie dich nicht getötet, als sie dir den Anhänger abgenommen haben?“, fragte Wood, und Daniel ergänzte: „Ein magischer indischer Anhänger würde vielleicht noch einen Sinn ergeben, aber was für eine Bedeutung könnte ein Fanschal für sie haben?“
„Vielleicht töten sie ja einfach keine Frauen, weil … weil ihre Göttin weiblich ist, was weiß ich“, entgegnete Elizabeth auf Woods Frage. „Und was den Fanschal angeht“, wandte sie sich an Daniel, „vermuten wir nur, dass es der Schal war, der gestohlen wurde, aber es könnte ebenso gut etwas anderes gewesen sein. Wir sollten diesbezüglich noch mal mit Justin sprechen und ihn bei der Gelegenheit auch fragen, ob bei Bhowanee oder Thuggee etwas bei ihm klingelt.“
„Also ich bezweifle, dass der Originalkult in Indien vor Frauen und Kindern haltgemacht hat“, sagte Wood. „Aber wer weiß, ob wir es tatsächlich mit diesem Kult zu tun haben. Immerhin wurden die aktuellen Opfer nicht erwürgt.“
„Vielleicht gehen sie einfach nur mit der Zeit“, meinte Daniel trocken. „Effizienzsteigerung ist schließlich in aller Munde.“
„Dann würden sie aber wahrscheinlich Pistolen benutzen“, antwortete Elizabeth.
„Nun, jemanden zu strangulieren dauert seine Zeit, das heißt, die Gefahr, entdeckt zu werden, ist größer. Möglicherweise ist das Erwürgen für das Ritual einfach nicht so wichtig, wie die Verwendung des Dolchs, und deshalb verzichtbar. Auf jeden Fall sind meiner Meinung nach die Parallelen zwischen den beiden Mordserien zu zahlreich, um Zufall zu sein.“
Das Spiel war inzwischen zu Ende, Daniels Mannschaft hatte 3:1 gewonnen, doch er schien das gar nicht mitzubekommen.
Nachdem Elizabeth Daniels Überlegungen an Wood weitergegeben hatte, sagte sie: „Ich kann Sir Thomas morgen fragen, ob er schon mal von den Thuggees gehört hat, oder von einem Gerücht, dass es sie nach wie vor gibt.“
„Gute Idee“, meinte Wood. „Und Riley sollte sich auch umhören.“
„Ich rede heute Nacht mit Justin“, sagte Daniel. „Ich sollte sowieso mal wieder nach ihm sehen.“
„Ich möchte morgen übrigens auch diese Sandra Headway besuchen“, informierte Elizabeth die beiden Männer. „Ihr wisst schon, von der Benjamin Haines meinte, sie sei die erfahrenste Hexe in ganz London. Was steht bei dir morgen an, Tony?“
„Ich treffe mich mit Richard Merton, um über neue Kandidaten für die Wurzelbehandlung zu sprechen. Er hat wohl schon den einen oder
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