… und der Preis ist dein Leben II - Ruf der anderen Seite (German Edition)
geschossen.
„Ja, schon klar. Aber mal angenommen … ich hätte einen Herzstillstand“, was in Elizabeths Augen gar nicht so abwegig war, „und du würdest um Hilfe rufen. Glaubst du, Schwester Wexler würde alleine hier hereinkommen?“
Fergies Gesichtsausdruck wirkte so angestrengt, als müsste sie eine Algebra-Aufgabe lösen. „Mmmnein“, sagte sie schließlich. „Wenn sie nachts in die Zimmer müssen, dann sind immer die zwei Bobs dabei.“
„Verdammt!“ Mit einer Krankenschwester allein hätte sie es aufgenommen. Doch mit einer Krankenschwester und zwei Pflegern? Nie im Leben. Dieser Plan fiel also flach.
Aber konnte sie aus diesem Zimmer aus eigener Kraft ausbrechen? Die Glasscheibe in der Tür war viel zu klein, um sich durchzuquetschen und außerdem mit Draht verstärkt. Die Tür ging nach außen auf, weshalb sie die Scharniere nicht erreichen konnte. Und das Fenster war von innen vergittert, wahrscheinlich, um zu verhindern, dass die Insassen die Scheiben einschlugen.
Dennoch ging sie wieder ans Fenster und untersuchte das Gitter. Keiner der Stäbe gab auch nur einen Millimeter nach, doch schienen sie oben und unten mit der Wand verschraubt zu sein. Wenn sie etwas fände, dass sich als Werkzeug, als Schraubenzieher, benutzen ließe … Was sie brauchte, war ein flaches Metallstück wie eine Münze oder eine Klinge. Etwas Stabiles.
Das Einzige in diesem Zimmer, wo sie so etwas finden konnte, waren die Betten.
„Fergie, hilf mir mal. Nimm die Matratze von deinem Bett und sieh nach, ob du irgendwo am Rost oder am Bettgestell ein flaches Metallstück findest.“
Ohne nachzufragen, warum Elizabeth sie darum bat, sprang Fergie vom Bett und zog die Matratze herunter. Elizabeth tat das Gleiche an ihrem Bett. Mehr tastend als sehend untersuchte sie den Rahmen, den Federrost, ja sogar die Matratze selbst. Doch sie fand nichts, das sie zum Lösen der Schrauben verwenden konnte. Entmutigt lehnte sie sich an die Wand und fuhr mit beiden Händen durch die Haare.
„Meinst du so was?“, kam es von der anderen Seite des Zimmers.
Elizabeth stieß sich von der Wand ab und sauste zu Fergie, die ein kleines, silbern schimmerndes Blättchen in der Hand hielt. „Perfekt“, keuchte sie und riss es Fergie aus der Hand. „Wo hast du das gefunden?“
„Es war an der Matratze. Ich glaube, es ist so eine Art Label.“
Sofort machte sich Elizabeth damit an der Schraube eines der Gitterstäbe zu schaffen. Doch das Metall war zu weich. Immer wenn sie dachte, sie könnte genügend Kraft ausüben, um die Schraube zu bewegen, verbog sich das Metallblättchen und sie glitt ab. Dabei kratzte sie den Schorf von der Schnittwunde an der Handkante, woraufhin es wieder zu bluten begann. Also griff sie so weit vorne zu, wie möglich, was zwar zur Folge hatte, dass weniger Kraft auf die Schraube ausgeübt wurde, aber dafür verbog sich das Blättchen nicht mehr so stark.
Verbissen kämpfte Elizabeth um jeden Millimeter. Als sie der unteren Schraube eines der Stäbe eine halbe Umdrehung abgerungen hatte, brannten ihre rechte Hand und der Arm bereits, als wären sie in Säure getaucht. Die Finger krampften, und die Muskeln bis hinauf zur Schulter zitterten von der Anstrengung.
Elizabeth kümmerte sich nicht darum.
Es war ihre einzige Hoffnung. Die letzte Chance, Daniel nicht zu verlieren. Warum hatten sie sich gestern nur den ganzen Tag gekabbelt? Was, wenn das ihr letzter Tag mit ihm gewesen war, und sie hatte ihn damit vergeudet, ihn anzukeifen und sich über ihn lustig zu machen?
Eine volle Umdrehung. Sie spürte ihren Arm nicht mehr.
Fergie plapperte die ganze Zeit fröhlich vor sich hin, erzählte von Leuten, die sie gekannt hatte, und die im Laufe der Zeit allesamt verschwunden waren. Geholt, von ominösen Mächten, und nie wieder gesehen.
Was, wenn ich versage , fragte sich Elizabeth. Was, wenn auch mein Danny von ominösen Mächten geholt wird? Jäh entglitt das Metallblättchen ihren tauben Fingern. Sofort ließ sie sich auf alle Viere fallen und tastete hektisch den Boden ab. Als sie es endlich gefunden hatte und sich wieder aufrichtete, bemerkte sie den silbrig grauen Streifen am Horizont.
„Nein!“, schrie sie der aufgehenden Sonne trotzig entgegen und machte sich, mit einem Auge den Horizont beobachtend, wieder an die Arbeit.
Sie hatte zwei volle Umdrehungen geschafft, als die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont schimmerten.
„Nein! Danny!“ Schluchzend ließ sie das Metallstück fallen und
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