… und der Preis ist dein Leben II - Ruf der anderen Seite (German Edition)
Richtung eines hünenhaften jungen Pflegers. „Deine Entscheidung“, sagte sie und schüttelte den Becher vor Elizabeths Nase, sodass die Pillen darin klapperten wie in einer Rassel.
„Nimm ihn, Liz“, flüsterte Daniel schnell. „Ich sorge für eine Ablenkung, damit du so tun kannst, als ob du die Pillen schluckst.“
Also nahm Elizabeth den Becher zögerlich entgegen. Als sie das dazugehörige Wasser bekam, schnippte Daniel gegen einen der leeren Plastikbecher auf dem Rolltischchen, was einen Dominoeffekt auslöste und eine gesamte Becherreihe zu Fall brachte. Die junge Schwester erschrak, stieß gegen den Wagen, und weitere Becher purzelten zu Boden.
Fergie kicherte in ihr T-Shirt, dessen Kragen sie über die Nase gezogen hatte, und zeigte mit dem Finger auf den Rolltisch. Oder auf Daniel, so genau konnte man das nicht sagen. Auf jeden Fall war die Aufmerksamkeit der Schwestern einen Moment lang nicht auf Elizabeth gerichtet, und so ließ sie die beiden Pillen blitzschnell zwischen ihren Oberschenkeln verschwinden. Dann leerte die den Wasserbecher, als ob sie die Medikamente hinunterspülen würde.
„Mund auf“, herrschte die ältere Schwester sie an, während ihre Kollegin eiligst die Becher vom Boden auflas. Gehorsam öffnete Elizabeth den Mund und bewegte sogar freiwillig die Zunge, damit die Schwester überprüfen konnte, dass sie die Pillen auch wirklich geschluckt hatte.
„Na also, geht doch“, sagte die Frau zufrieden. „Wir werden bestimmt noch richtig gute Freundinnen.“
„Ganz bestimmt nicht“, murmelte Elizabeth, sobald die Schwestern außer Hörweite waren. „Hoffentlich ist Tony bald hier.“
Eine gemeinschaftlich gegen Fergie verlorene Runde später trat Kevin, der Pfleger mit dem Körperbau eines Rugbyspielers, an ihren Tisch und legte eine Hand auf Elizabeth Schulter. „Gehen wir“, sagte er nur und nickte in Richtung Tür.
Elizabeth tauschte einen hoffnungsvollen Blick mit Daniel. War es Wood bereits gelungen, ihre Entlassung zu bewirken, und Kevin brachte sie nun zu ihm?
Sie erhoben sich, doch bevor Elizabeth Kevin aus dem Aufenthaltsraum folgte, wandte sie sich noch kurz an ihre Zimmergenossin: „Fergie, du bist wirklich eine Damemeisterin. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden, hörst du?“
Fergie zog einen Schmollmund. „Und was ist jetzt mit dem Spiel?“
„Ich besuche dich bald, und dann spielen wir ein paar Runden“, versprach Daniel.
Elizabeth wünschte, sie könnte ihrer neuen Freundin das Gleiche versprechen, aber um nichts auf der Welt würde sie jemals wieder freiwillig einen Fuß in diese Anstalt setzten. Sie nahm sich aber fest vor, Fergie regelmäßig zu schreiben und ihr auf diese Weise für den Beistand während einer ihrer schwärzesten Nächte zu danken.
Zuversichtlich, in wenigen Minuten Wood gegenüberzustehen, ließ sich Elizabeth von Kevin durch die verwinkelten Gänge des alten Gebäudes führen. Daniel war mit einer Hand auf ihrem Rücken an ihrer Seite. Doch aus ihrer Zuversicht wurde Argwohn, als Kevin sie am Empfangsbereich vorbei in einen anderen Flügel des Gebäudes brachte.
Sie spürte auch Daniels steigende Nervosität. „Das gefällt mir nicht“, murmelte er.
Schließlich blieb Kevin vor einer Tür stehen und klopfte, während Elizabeth das kleine Schild an der Wand las: Dr. C. T. Mortimer, Chefarzt.
Sobald aus dem inneren des Zimmers ein leises „Herein“ zu hören war, öffnete Kevin die Tür. Dr. Mortimer war ein asketisch wirkender Mann mittleren Alters mit hohen Geheimratsecken und eng beieinander stehenden grauen Augen. Der Anzug sowie die randlose Brille waren zwar schlicht, wirkten aber dennoch sehr teuer. Auch die Einrichtung seines Büros, mit Blick auf eine weitläufige Parkanlage, war spartanisch, aber edel.
Der Arzt saß hinter seinem Schreibtisch und sah lächelnd von einer Akte auf.
Während Kevin leise die Tür schloss und sich daneben an der Wand platzierte, trat Elizabeth langsam näher. Sie wusste nicht, wohin mit ihren Händen und verschränkte sie schließlich hinter dem Rücken. Anstelle wie üblich neugierig durch die Gegend zu geistern, blieb Daniel standhaft neben ihr, wofür sie ihm ausgesprochen dankbar war.
„Hallo, Elizabeth. Haben Sie sich schon gut bei uns eingefunden?“, fragte der Arzt. Mit einer Geste bedeutete er ihr, sich auf einen der Besucherstühle vor dem Schreibtisch zu setzen.
„Dr. Mortimer“, begann Elizabeth, noch während sie sich auf dem Stuhl niederließ.
Weitere Kostenlose Bücher