und der tanzende Derwisch
den Messingtisch gekippt war und ein Dolchgriff aus seinem Rücken ragte. Das Gesicht war halb der Menge zugewandt, Augen und Mund standen weit offen; ein Gesicht, das ihr nur allzu vertraut war und das sie erst vor zwei Stunden lebend gesehen hatte, war nun das eines Toten! Eines Ermordeten!
Dasran hatte sich zu ihr vorgekämpft und zupfte an ihrem Ärmel. »Nicht schauen!« warnte er mit weißem Gesicht. »Bismallah, er ist tot!«
»Ja, tot«, flüsterte sie. Und während sie so in dieser dämmrigen, mittelalterlichen Ladenstraße stand, rann ihr ein eisiger Schauder über den Rücken, denn sie dachte daran, daß Hamid ou Azu nicht lediglich ein Messingwarenhändler gewesen war, sondern ein Informant, der zu einem bestimmten Netz gehörte. Sie dachte: Es ist doch Unsinn, mir einzubilden, daß er deshalb getötet wurde! Bestimmt war er seit Jahren ein Informant, weshalb sollte er ausgerechnet jetzt deshalb ermordet werden? Außer der falsche unter ihnen war bereits am Werk, wie Carstairs befürchtet hatte. Wieder schauderte sie und fragte sich, in was sie bei diesem Auftrag hineingeschlittert war.
Die Menge wich an die Häuserwände zurück, um ein Polizeiauto durch die enge Gasse zu lassen. Mrs. Pollifax stieg leichte Übelkeit auf. »Ich hoffe, es ist nicht weit zum Hotel«, wandte sie sich an Dasran. »Ich möchte rasch zurück.« Plötzlich fühlte sie sich überraschenderweise erleichtert, weil sie diesen Auftrag nicht allein durchführen mußte, so unangenehm ihr Begleiter auch war.
Ihr unangenehmer Begleiter starrte in der Hotelbar finster in sein Glas. Als sie sich auf den Hocker neben seinem setzte, blickte er auf und sagte: »Offenbar sind Sie diesen Geier Dasran losgeworden. Hoffentlich haben Sie ihm kein zu hohes Trinkgeld gegeben.«
»Einen kleinen Kognak - egal, welche Marke«, sagte sie zum Barkeeper.
Janko musterte sie erstaunt. »Sie sehen ja entsetzlich aus, was haben Sie denn?«
Der Kognak kam, sie goß die Hälfte in sich hinein und spürte, wie die Übelkeit schwand. »Hamid ou Azu ist tot«, sagte sie.
»Was?« donnerte Janko. Dann sah er sich rasch um. »Tut mir leid. Aber was zum Teufel soll das heißen? Woher wollen Sie das wissen?«
»Auf dem Rückweg zum Hotel kamen wir zu der Kreuzung vor seinem Laden«, antwortete sie, und ihre Stimme zitterte nur noch ein bißchen. »Er war gerade ermordet worden. Er la g mit dem Oberkörper auf dem Tisch und hatte ein Messer im Rücken. Ein sehr langes Messer.« Sie schüttelte sich bei der Erinnerung daran.
Janko kniff die Augen zusammen. »Trinken Sie Ihren Kognak aus.«
»Ja. Aber glauben Sie - denken Sie nicht...«
Er seufzte. »Sie haben eine zu melodramatische Phantasie. Regel eins ist, nie voreilige Schlüsse zu ziehen. In vielen Ländern hier gibt es Blutfehde und lange Listen von Beleidigungen, die gerächt werden müssen. Und wenn Sie denken ...«
Sie leerte ihr Glas, stand auf und unterbrach ihn. »Ich denke«, entgegnete sie kühl, »daß wir morgen sehr früh nach Ksar es Souk oder vielmehr Er Rachidia, wie es jetzt heißt, und Erfoud aufbrechen sollen.«
Er nickte. »Treffen wir uns morgen früh um fünf unten im Foyer.«
Sie griff nach ihren Einkäufen und verließ Janko, doch nicht, um zu ihrem Zimmer zu gehen, sondern um Dasran zu suchen. Sie hoffte, daß er wieder draußen unter den offiziellen Fremdenführern war, die um Hotelgäste konkurrierten, wo sie ihn mittags gefunden hatten. Er war tatsächlich da, hatte sich an einen Wagen gelehnt und hielt mit Habichtaugen Ausschau nach Kundschaft. Als er sie sah, erhellte sich sein Gesicht. »Ah meine freundliche Dame! Sie möchten neue Tour? Ihnen ich mache guten Preis.«
»Nein, Dasran, aber ich möchte Sie um einen Gefallen bitten«, sagte sie rasch. »Es geht um meinen Neffen.«
Er blickte sie enttäuscht an. »Oh - er.«
»Ja. Ich will ganz offen sein. Er trinkt zu viel, Dasran.« Der Fremdenführer blickte sie aufmerksam, aber verständnislos an.
»Er trinkt sehr viel«, betonte sie. »Seine Mutter ist deshalb sehr unglücklich. Sie weint.«
Dasran verstand nun und sagte mitfühlend: »Ah, Wiskii, Wein... Deshalb er nicht nett.«
»Ja. Er sagt - er schwört, Dasran —, daß er nicht die ganze Zeit, nachdem er uns in der Medina verließ, in der Hotelbar gesessen hat.« Sie seufzte. »Seine Mutter macht sich große Sorgen um ihn. Könnten Sie die Barkeeper unauffällig fragen, ob er dort war, seit er uns verlassen hat? Wenn Sie die Wahrheit herausfinden können, gebe ich Ihnen
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