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und der tanzende Derwisch

und der tanzende Derwisch

Titel: und der tanzende Derwisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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entweder von echten Polizisten oder von Männern, die sich als Polizisten ausgegeben hatten. Vor allem aber mußte sie herausfinden, weshalb Janko einen falschen Schnurrbart trug; und hoffen, daß sie den Verstand und die Geistesgegenwart hatte, die sie zum Überleben brauchen würde; das war ein Grund, weshalb sie für diesen Job genommen worden war.
Und so verließ sie - zögernd - den Empfang; sie überlegte, wie sie an den marokkanischen Dolch in ihrer Tasche herankommen konnte, und fragte sich, wie sie ihr Leben retten könnte und ob es überhaupt noch möglich war. Ein kleiner Trost war, daß sie zumindest Youssef hatte warnen können. Er hatte auch genau gewußt, worum es ging, was mehr war, als sie von sich sagen konnte, und sie staunte über den Impuls, der sie dazu gebracht hatte, ihn zu warnen, noch ehe sie erfuhr, daß Ibrahim verhaftet worden war. Es war, dachte sie, als hätte etwas in ihr die ganze Zeit Anhaltspunkte gesammelt und erst an ihr Bewußtsein abgegeben, nachdem Janko seinen Schnurrbart in ihrem Zimmer verloren hatte. Janko hatte ihr gesagt, daß er allein arbeiten werde, aber es war mehr als das: etwas war furchtbar schiefgegangen, und es gab niemanden, an den sie sich jetzt wenden konnte, und niemanden, der sie retten konnte, außer ihr selbst.

6
    Als sie beim Einsteigen einen Augenblick zögerte, stupste Janko sie mit dem, was er als Pistole bezeichnet hatte, in den Rücken, und der Härte und Schwere nach, die sie am Rückgrat spürte, hatte sie keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln. Sie rutschte auf den Beifahrersitz, und als er ebenfalls einstieg, konnte sie die Tatsache nicht ignorieren, daß er zum erstenmal, seit sie sich kannten, nicht nach Namen und Adresse des nächsten Informanten fragte. Um das scheußliche Gefühl in ihrem Magen zu unterdrücken, setzte sie ihre Rolle als Unwissende fort und sagte ungehalten: »Es war unverschämt von Ihnen, meinen Anruf zu unterbrechen! Es war mein Lieblingsschal, den ich in dem Café liegenließ. Außerdem will ich frühstücken. Und dieses Machogerede über Pistolen können Sie sich sparen!«
    Spiel diese Rolle weiter, mahnte sie sich eindringlich. Er darf deinen Verdacht nicht einmal ahnen! Denk nicht daran, daß er die Fotos mit der Pistole in der Hand verlangen wird, und daran, was er tun wird, wenn er mir glaubt, daß ich sie vernichtet habe... Laut sagte sie kühl: »Wir fahren jetzt nach Tinerhir und halten, hoffentlich, unterwegs an, um zu frühstücken. Dürfte ich mir die Karte ansehen?«
    »Sie liegt im Handschuhfach.«
    Ich tue, als glaubte ich, ich würde lebend in Tinerhir ankommen, dachte sie ... Ich werde ihn an der Schläfe treffen müssen, mit dem schlimmsten Karateschlag überhaupt, den man nur benutzen darf, wenn es um Leben oder Tod geht, und das ist nun ganz gewiß der Fall... Wenn er mich nahe genug heranläßt und mir Gelegenheit gibt für ein paar mittlere Knöchelschläge, Stöße, Tritte... Ich bin sehr gut im Blockieren ... Da kämen noch der Handgelenkgriff in Frage und der Würgegriff von vom und der von hinten ... Und dann der Hieb auf die Schläfe.
    Aber zuerst mußte sie herausfinden, für wen er arbeitete, und was hinter seinem Verrat steckte. Sie mußte beschuldigen, reden, Näheres erfahren und hoffen zu überleben, um ihn zu entlarven.
    Sie faltete die Karte auf, fand Erfoud, das sie soeben verließen, und sah erstaunt, wie nahe sie der algerischen Grenze waren und daß nur etwa sechzig Kilometer Wüste sie davon trennten. Heute fuhren sie nordwärts, wie sie bemerkte, offenbar zurück zur P32, die sie gestern südwärts genommen hatten und die wie eine rote Halskette die Karte hinunter durch Tinerhir führte, vorbei an einem Ort namens El Kelaa - wieder im Gebirge — und dann nach Ouarzazate, das sich mit fetten Buchstaben abhob. Von dort würde eine scharfe Biegung nach Süden sie auf ihrem Weg nach Zagora wieder in Richtung Wüste und die algerische Grenze führen, und dann hinunter zu ihrem letzten Informanten in Rouida. Sie operierten nun innerhalb eines Halbmonds oder eines sehr großen C. Sie faltete die Karte wieder zusammen, steckte sie zurück ins Handschuhfach, entschlossen, sich voll auf die Gegend zu konzentrieren. Bei ihrer Ankunft gestern war es bereits zu dunkel gewesen, die Wüste zu sehen, doch jetzt waren ringsum deutlich Zeichen von ihr zu erkennen. Sie sah Palmen und Gärten, die zwar noch nicht bepflanzt, aber mit Erdhaufen umgeben waren, um den kostbaren Regen aufzunehmen.

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