Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
und der tanzende Derwisch

und der tanzende Derwisch

Titel: und der tanzende Derwisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
Vom Netzwerk:
Aufschub«, flüsterte sie. »Das ist
Muhammed Tuhami.«
»Sind Sie sicher?«
Sie nickte.
»Gehen wir hinein. Ich tue so, als wollte ich mir die Haare
schneiden lassen.«
Daß zwei Touristen - noch dazu einer davon eine Frau - das
Geschäft betraten, überraschte die beiden Einheimischen. Max
nickte höflich, führte Mrs. Pollifax zu der Bank, und sie setzten sich. Zu dem Friseur sagte er: »Könnten Sie mir die Haare
schneiden? Sprechen Sie Englisch?«
Mrs. Pollifax, die Muhammed verstohlen musterte, fand, daß
er älter und müder aussah als damals, als sein Foto für die
Informantenakte gemacht worden war, aber seine innere Glut
war geblieben, das sah sie, selbst als er vorsichtig sagte: »Ein
kleines bißchen. Parlez-vous français?« Max fing sofort
fließend Französisch zu reden an, und Mrs. Pollifax seufzte,
weil sich so ihre grenzenlose Neugier nicht stillen ließ.
Muhammed lachte einmal ganz leicht, und der in Tücher
gehüllte Mann auf dem Barbierstuhl lächelte. Max erklärte ihr:
»Ich habe ihnen erzählt, daß wir als Touristen Badeanzüge
mitgebracht haben, aber daß es viel zu kalt dafür ist.« »Ah ja, das Wetter wie üblich«, murmelte sie. Die Tücher
wurden abgenommen und Muhammeds Kunde erhob sich. Aus
seiner weißen Dschellabah über einer westlichen Hose mit
scharfer Bügelfalte und weißem Hemd schloß sie, daß er
wohlhabend war. Muhammed bekam ein paar Münzen in die
Hand gedrückt, dann bedachte er Max mit einer knappen
Verbeugung und Mrs. Pollifax mit einem neugierigen Blick, ehe
er das Geschäft verließ.
Kurzes Schweigen herrschte, während Muhammed Max mit
Tüchern in der Hand erwartungsvoll anblickte. Da sagte Max
bedächtig: »Das Pferd lahmt... Hadha el-husan arej.« Überrascht bemerkte Mrs. Pollifax, daß Muhammeds Gesicht
nicht das geringste Erstaunen verriet, aber er trat sofort an die
Tür, sperrte zu, ließ die stählernen Rolläden herunter und kehrte
zurück. Im Dämmerlicht musterten sie einander, Muhammed
stumm und abwartend.
Max erklärte: »Wir kommen von Omars Souk in Tinerhir.
Wir müssen Ihnen leider sagen, daß die Kette - das Netz
gerissen ist.«
»Omar«, wiederholte Muhammed nickend. »Aber ...« Er
blickte die beiden verwirrt an. »Omar ist gerissen?«
Max entschuldigte sich bei Mrs. Pollifax und kehrte zu
Französisch zurück, doch indem sie Muhammeds Miene
beobachtete, konnte sie zumindest ahnen, was Max zu ihm
sagte. Seine Augen weiteten sich, sein Gesicht verzog sich
entsetzt - wahrscheinlich, als er von dem Mord an Hamid ou
Azu erfuhr —, dann kniff er die Augen zusammen - vielleicht
erfuhr er gerade vom ersten Janko -, nun warf er einen
überraschten Blick auf sie; woraufhin sie annahm, daß Max bei
der Hütte und Flaviens Tod angelangt war. Bei den Worten
Tinerhir und Omar, entspannte sich sein Gesicht ein wenig, und
er sagte etwas. Max übersetzte. »Er ist sehr froh, daß Omar auf
dem Weg in die Wüste ist. Jetzt muß ich ihm natürlich noch
sagen, daß er sich selbst ebenfalls in Gefahr befindet. Ich glaube
nicht, daß ihm das bereits bewußt ist.« Dann erklärte er es ihm,
wozu er ein paar Minuten brauchte.
Da verrieten Muhammeds Augen zum erstenmal Schrecken,
dann Angst. »Nein, nein!« protestierte er und wich vor ihnen
zurück. »Ich kann nicht fort - ich kann nicht!«
»Es könnte gefährlich werden, wenn Sie bleiben.«
»Ja, ja, das sein mir klar, aber...« Er brach in einen Schwall
Französisch aus, und Max seufzte, ehe er übersetzte. »Seine
Frau ist krank. Er sagt, Allah hat ihm eine Perle von Weib
geschenkt, und sie lieben einander. Sie darf nicht transportiert
werden, und er kann sie nicht verlassen.«
»O je«, murmelte Mrs. Pollifax und empfand tiefes Mitleid
mit ihm. Er war ein einfacher Mann mit den Sorgen und
Problemen eines einfachen Mannes. Wahrscheinlich lebte er am
Rand der Armut, mußte sich nach der Decke strecken, sorgte
sich um seine kranke Frau, und doch hatte ihn etwas zu einem
ungewöhnlichen Mann gemacht, etwas, das ihn von seinen
Nachbarn abhob. Er hatte nichts von einem Rebellen an sich,
und doch hatte er ein gefährliches geheimes Leben auf sich
genommen und das ohne jede finanzielle Entschädigung. Sie
fragte sich, was ihn dazu bewegen hatte: Ungerechtigkeit, die ihm in diesem Land zuteil geworden war? Oder hatte er Freunde bei den Polisarios? Oder gehörte er zu einem Stamm, der einst unter dem weiten Himmelszelt der Wüste seine Zelte
aufgeschlagen hatte?
Sie sagte sanft: »Es ist vielleicht alles in Ordnung,

Weitere Kostenlose Bücher