und der tote Richter
Maunzen drang aus dem Korb. »Schhh«, machte Bill sanft. Er hatte Agatha eine Katze mitgebracht. Die Katze seiner Mutter hatte Junge bekommen, die er nun an Freunde und Bekannte verschenkte.
Als er am Nachbarhaus vorbeikam, sah er James Lacey. »Guten Morgen!«, rief Bill ihm zu und beäugte den Neuankömmling interessiert. Was wohl Agatha von ihm hielt? James Lacey sah gut genug aus, dass sämtliche Damen fortgeschrittenen Alters ganz aus dem Häuschen geraten dürften. Er war groß, hatte ein kantiges, sonnengebräuntes Gesicht und leuchtend blaue Augen. Zudem wies sein dichtes schwarzes Haar nur wenige graue Strähnen auf. »Ich wollte zu Ihrer Nachbarin, Mrs. Raisin«, sagte Bill.
»Ich glaube, die Hitze macht ihr zu schaffen«, antwortete James im typischen Tonfall der Oberklasse. »Sie kam hier vorbei, brummelte verwirrt irgendwas von ›Mr. Jones‹ und ist wieder weg. Wer immer dieser Mr. Jones sein mag, mir tut er leid.«
»Tja, mag sein. Ich habe ihr eine kleine Katze mitgebracht, die ich ihr schenken wollte, und ein Katzenklo. Die Kleine ist stubenrein. Wären Sie vielleicht so freundlich, sie Mrs. Raisin zu geben, wenn sie wiederkommt? Übrigens, mein Name ist Bill Wong.«
»Ja, mach ich. Wissen Sie zufällig, wann sie wieder zurück sein wird?«
»Das kann nicht lange dauern«, sagte Bill. »Ihr Wagen steht in der Einfahrt, also ist sie nur im Dorf unterwegs.«
Er gab dem Mann den Tragekorb mit der Katze und die Katzentoilette. Jones, dachte er. Was hat sie jetzt wieder vor?
Er ging zu Harvey’s, kaufte einen Schokoriegel und fragte die Kassiererin: »Wer ist Mr. Jones?«
»Sie nicht auch noch!«, antwortete die Frau mürrisch. »Mrs. Raisin war schon hier und wollte das wissen. Und sie hat sich ganz schön unverschämt aufgeführt. Wir alle leiden unter dieser Hitze, aber deshalb muss man sich noch lange nicht schlecht benehmen.«
Bill wartete geduldig, bis die Frau mit ihrem Gejammer fertig war und er sich noch einmal nach Mr. Jones erkundigen konnte. Dabei wusste er selbst nicht genau, weshalb er so besorgt war – wohl weil Agatha Raisin ein Talent dafür zu haben schien, Ärger zu provozieren.
Auf dem Nachhauseweg war Agatha niedergeschlagen. Sie hatte geglaubt, dass sie den Fall gelöst hätte. Ja, in ihren Gedanken sprach sie von einem Fall. Doch als sie im Pub saß, war ihr klar geworden, dass es eine große Schwachstelle in ihrer Indizienkette gab: Es war gänzlich ausgeschlossen, dass Vera Cummings-Browne eine Quiche buk und die Polizei hinterher keine noch so kleine Spur mehr davon nachweisen konnte.
Erschöpft schloss sie ihre Haustür auf. Es war wohl besser, wenn sie die ganze Sache erst einmal auf sich beruhen ließ, nach Moreton fuhr und sich einen Ventilator kaufte.
Es klopfte. Agatha linste durch ihren neuen Türspion und blickte direkt auf ein kariertes Herrenhemd. Sie legte die Kette vor, ehe sie öffnete.
»Mrs. Raisin, ich bin Ihr neuer Nachbar, James Lacey«, stellte der Mann sich vor.
»Oh.« Erstmals nahm sie James Lacey in seiner ganzen Pracht wahr, und es verschlug ihr die Sprache.
»Ein Mr. Wong war hier, aber Sie waren nicht zu Hause.«
»Was will die Polizei jetzt schon wieder?«, fragte Agatha gereizt.
»Ich wusste nicht, dass er von der Polizei ist. Er war in Zivil. Und er hat mich gebeten, Ihnen diese Katze zu geben.«
»Katze!«, wiederholte Agatha verblüfft.
»Ja, Katze«, sagte er geduldig und kam zu dem Schluss, dass sie nicht alle Tassen im Schrank haben konnte.
Agatha nahm die Kette weg und öffnete die Tür ein Stück weiter. »Kommen Sie doch herein.« Schlagartig bereute sie das weite Sommerkleid und ihre nackten, stoppeligen Beine.
Sie gingen in die Küche, wo Agatha sich hinkniete und den Korb öffnete. Eine winzige getigerte Katze tapste heraus, guckte sich um und gähnte. »Was für ein süßer kleiner Kerl«, sagte James Lacey und bewegte sich Richtung Tür. »Tja, wenn Sie mich dann entschuldigen wollen, Mrs. Raisin …«
»Kann ich Ihnen vielleicht einen Kaffee anbieten?«
»Nein, danke, ich muss wirklich gehen. Oh, da ist jemand an Ihrer Tür.«
»Würden Sie bitte kurz auf die Katze aufpassen, solange ich nachsehe?«
Bevor er antworten konnte, war sie schon zur Tür geeilt. Draußen stand eine Frau, die trotz der Hitze frisch wie ein Frühlingstag wirkte. Sie trug ein weißes Baumwollkleid mit einem roten Ledergürtel um die schmale Taille. Ihre Beine waren braungebrannt und seidig glatt, und ihr blondiertes Haar glänzte im
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