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und der verschwiegene Verdacht

und der verschwiegene Verdacht

Titel: und der verschwiegene Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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murmelte sie. »Volle Figur, starkes Kinn, gute Haare. Augen … grau? Ja. In Ordnung.
    Das reicht. Sie können jetzt gehen.«

    »Äh …«, fing Emma an.
    »Mein Gott, Mädchen, was ist denn nun schon wieder! Ich kann hier nicht den ganzen Morgen rumstehen.«
    »Ich wollte eigentlich zum Kapellgarten gehen, aber …«
    »Zum Kapellgarten? Und warum suchen Sie den hier oben?«
    »Ist schon in Ordnung, Nanny Cole, ich zeig ihr den Weg.«
    Ein kleines Mädchen erschien hinter Nanny Cole.
    Sie trug ein kurzes, wippendes Faltenröckchen und eine weiße, hellblau abgesetzte Bluse. In einem Arm hielt sie einen kleinen schokoladenbraunen Teddybär im Matrosenanzug – mit Schlaghose und runder, bebänderter Mütze. In der anderen Hand hielt sie eine große, reife Erdbeere.
    »Gut, Lady Nell«, sagte Nanny Cole. »Aber pass auf, wo du mit diesen Klamotten hingehst. Ich hab für diese verflixten Falten die ganze Nacht gebraucht. Was für ein fürchterlicher Morgen …«
    Immer noch vor sich hin schimpfend, schloss Nanny Cole die Tür.
    Während Lady Nell in die Erdbeere biss, fragte sich Emma, warum der Herzog seine Tochter nie erwähnt hatte. Sie war ein nettes Kind, mit rosigen Wangen, einem hübsch geschwungenen kleinen Mund und einem Kopf voller blonder Ringellocken.

    Wäre sie weniger selbstsicher gewesen, hätte sie unscheinbarer wirken können, aber sie schritt daher wie eine kleine Primaballerina, und ihre klaren, blauen Augen gaben Emma das Gefühl, als sei das Mädchen, das sie hier so abwägend ansah, wesentlich älter und reifer.
    »Wir haben auf dich gewartet«, bemerkte Nell.
    »Wirklich?«, sagte Emma überrascht.
    »Tante Dimity sagte, du würdest kommen, aber wir hatten nicht gedacht, dass es so lange dauern würde. Ich werde im September sechs, und Peter ist sehr müde«, sagte sie in beiläufigem Ton.
    »Es tut mir Leid, Lady Nell.« Emma war versucht, einen Hofknicks zu machen. »Ich fürchte, ich kenne Ihre Tante nicht, und Grayson – ich meine, Ihr Vater – muss vergessen haben, mir von ihr zu erzählen.«
    »Tante Dimity ist nicht meine Tante, ich heiße nicht Lady Nell, und Grayson ist nicht mein Vater«, berichtigte Nell sie in aller Ruhe. »Meine Tante heißt Beatrice, Papa heißt Derek, und ich heiße Nell Harris. Der Junge, der eben hier war, ist mein Bruder Peter.« Nell sah auf ihren Teddy hinab.
    »Und das ist Bertie. Wir sind vier – Tante Bea zählt nicht. Aber mach dir keine Sorgen, Mama ist tot.«
    Nell biss wieder von ihrer Erdbeere ab.
    Mama ist tot? Emma musste schlucken, als ihr die Bedeutung dieser Mitteilung klar wurde. Derek war ein Witwer mit zwei Kindern? Als sie den Rest von Nells Rede begriffen hatte, war das Kind schon weitergegangen. Emma beeilte sich, um sie wieder einzuholen.
    »Nell?«, fragte sie. »Es tut mir sehr Leid, dass deine Mama tot ist …«
    »Sie ist schon lange tot«, sagte Nell. »Ich war noch ein Baby. Jetzt musst du beim Hund links herum gehen, und dann geradeaus bis zu der großen, dicken Kuh.«
    Verwirrt sah Emma um sich, dann merkte sie, dass Nell die Malereien an der Wand des Korridors meinte. Die struppige Promenadenmischung, die unter dem Tisch hervorlugte, war zweifellos das, was dem Betrachter an dieser etwas verwirrenden Familienszene am ehesten in Erinnerung blieb, die höchstwahrscheinlich von einem holländischen Maler des siebzehnten Jahrhunderts geschaffen worden war. Die »große, dicke Kuh« war das preisgekrönte Tier eines Gutsbesitzers und trug die unverwechsel-bare hölzerne Handschrift von George Stubbs. Sich an der Wandmalerei zu orientieren war eine höchst einfache Art, sich zurechtzufinden, und Emma hätte sich ohrfeigen können, dass sie nicht eher darauf gekommen war. Sie fing an, sich die Bilder zu merken, an denen sie vorbeikamen, und als sie die Treppe erreicht hatten, die nach unten in die Eingangshalle führte, war sie ziemlich sicher, dass sie den Weg zu Nanny Coles Zimmer ohne Hilfe finden würde, obwohl sie fürs Erste nicht diese Absicht hatte.
    Als sie die Treppe hinuntergingen, versuchte Emma es erneut. »Nell, was hast du gemeint, als du sagtest, ich solle mir keine Sorgen machen?«
    Als Antwort kam von Nell ein langer, vorwurfsvoller Blick von der Seite, der zu sagen schien: »Du weißt ganz genau, was ich gemeint habe.« Eingeschüchtert von einer Wahrheit, die ihr offensichtlich verborgen war, stellte Emma keine weiteren Fragen.
    Nell führte sie durch ein Labyrinth von Korrido-ren im ersten Stock bis zu einem

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