und der verschwiegene Verdacht
luftigen Vorrats-raum, in dem auf hohen Regalen Stapel von Wä-
sche lagen. Dort öffnete sie eine Tür, und sie traten hinaus auf den großen Rasen. Hier wollte Emma Nell für ihre Hilfe danken, aber das kleine Mädchen lief weiter neben ihr her, wobei sie sich vorsichtig einen Weg durch das nasse Gras bahnte und immer noch an der Erdbeere knabberte.
Emma bemerkte bestürzt, dass Nell auf die Burgruine zusteuerte. Sie hatte nicht vorgehabt, ihren ersten, kostbaren Morgen im Garten in Begleitung zu verbringen, und noch viel weniger wollte sie Kinder hüten. Als sie das runde Tor in der Burgmauer erreicht hatten, blieb sie stehen. »Vielen Dank«, sagte sie freundlich, aber bestimmt. »Von hier kann ich meinen Weg allein finden.«
Nell sah sie nachsichtig an. »Emma«, sagte sie,
»Bertie und ich reden nicht viel, und auf uns muss auch niemand aufpassen, außer Peter.«
»Aber ich habe doch gar nicht gesagt … das heißt, ich glaube, dein Bruder ist …«
Viel zu jung, um die Verantwortung für eine fast Sechsjährige wie dich zu übernehmen, dachte Em-ma, aber sie verkniff sich die Bemerkung. Sie war nicht mehr ganz sicher, eine Diskussion mit Nell erfolgreich überstehen zu können. »Ich glaube, ich kenne nicht viele Kinder wie dich«, sagte sie entschuldigend.
»Das wissen wir«, sagte Nell, »aber das kann auch anders werden.« Sie drehte sich um und rief Hallard, dem kurzsichtigen Diener, einen Gruß zu, der wieder in seinem Korbsessel saß und auf seinem Laptop tippte. Dann schlug sie den Weg zum Festsaal ein, der am Ende des langen Rasenkorridors lag, und Emma ging hinter ihr her.
Der Festsaal war verlassen. Der Sturm der letzten Nacht hatte einige Bohnenranken vom Vogelkäfig gelöst, und Emma blieb stehen, um sie wieder fest-zubinden. Über die Schulter hielt sie nach Bantry Ausschau. Allein fühlte sie sich Nells beunruhigenden Erklärungen nicht recht gewachsen.
Als Emma mit den Bohnenranken fertig war, hatte Nell den Festsaal verlassen. Emma hoffte, dass das kleine Mädchen sich ein anderes Ziel als ausgerechnet den Kapellgarten aussuchen würde, aber ihre Hoffnungen wurden enttäuscht, als sie um die Ecke bog und sah, wie Nell den schweren Riegel an der grünen Tür nach oben drückte. Emma war noch ein Stück weit entfernt, als sich die Tür weit öffnete.
Nell machte keine Anstalten, den Garten zu betreten. Sie stand in der Tür und klammerte sich an ihren Teddy, und Berties Augen blinzelten Hilfe suchend über ihre Schulter, als ob er Emma bitten wollte, sich zu beeilen.
»Nell?«, rief Emma und eilte zu dem Kind. »Was ist los? Was ist …« Emma erstarrte, als sie Susannah sah, die mit dem Gesicht nach unten am Fuße der unebenen Treppe im Gras lag, nicht weit von dem alten Schubkarren. Ihr blondes Haar war wie ein seidiger Fächer um ihren Kopf gebreitet, ein glänzender schwarzer Absatz baumelte von einem ihrer Schuhe, und aus ihrem Ohr rann Blut.
Emma kniete neben Nell nieder, um auf Augen-höhe mit ihr zu sein. »Susannah hat einen Unfall gehabt«, sagte sie und wunderte sich selbst, wie ruhig ihre Stimme klang. »Ihr Absatz ist abgebrochen, und sie ist die Treppe hinuntergefallen. Verstehst du?«
Das Kind nickte.
»Ich möchte jetzt, dass du mit Bertie so schnell wie möglich zum Haus zurückläufst. Sage dem ersten Erwachsenen, dem du begegnest, dass er einen Arzt rufen soll. Meinst du, dass du das kannst?«
Nell nickte energisch, dann lief sie los, in Richtung Haus, wobei Bertie ziemlich unsanft hin und her geschlenkert wurde.
Emma eilte die Treppe hinunter und kniete sich neben Susannah hin. Erleichtert atmete sie auf, als sie an dem Hals der Verunglückten nach dem Puls fühlte und ihn fand. Susannahs Augen waren geschlossen, und sie lag mit der rechten Wange auf einem blutgetränkten Grasbüschel. »Warm halten.
Ich muss sie warm halten«, erinnerte sich Emma.
Blindlings wollte sie nach dem Segeltuch auf dem alten Schubkarren greifen, aber es war nicht da.
Verzweifelt suchte sie mit den Augen den Garten ab und sah, dass es ein paar Schritte entfernt auf dem Plattenweg lag. Sie stand auf und holte es, breitete es über Susannah aus und wartete.
»Mein Gott …« Grayson stand mit bleichem Gesicht oben an der Treppe. »Ist sie tot?«, flüsterte er heiser.
Emma schüttelte den Kopf. »Haben Sie den Not-arzt gerufen?«
Ehe der Herzog antworten konnte, erschien Kate Cole hinter ihm, eine dicke Wolldecke in den Händen. Sie eilte die Treppe hinunter, breitete die Decke
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