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und der verschwiegene Verdacht

und der verschwiegene Verdacht

Titel: und der verschwiegene Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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ausdauernd geregnet, aber der Sturm hatte sich aus-getobt und nur ein paar Wolken zurückgelassen. Ein paar graue Nebelschleier zogen über den großen Rasen und trieben sich in der Burgruine herum wie anmutige Gespenster auf einer der Mondscheinge-sellschaften von Graysons Großmutter. Bis zum Vormittag würde der Dunst verschwunden sein, dachte Emma. Es sah nach einem schönen Tag aus.
    Nach einem kurzen Bad zog Emma ihren Jeansrock an, dazu eine kurzärmelige Baumwollbluse und ihre bequemen Wanderschuhe. Sie würde sich noch mehr Arbeitskleidung anschaffen müssen, aber an diesem Morgen wollte sie nichts weiter, als ein paar Stunden im Kapellgarten allein sein. Sie band sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und machte sich auf den Weg, zuversicht-lich, dass sie sich auch ohne Hilfe in Penford Hall zurechtfinden würde.
    Zwanzig Minuten später musste sie sich geschlagen geben. Es war ärgerlich, aber ihr blieb nichts anderes übrig, als in ihr Zimmer zurückzukehren und mit Ungeduld auf Mattie oder Crowley oder sonst einen ortskundigen Führer zu warten. Sie drehte sich um und wollte gerade zurückgehen, als eine laute, wü-
    tende Frauenstimme an ihr Ohr drang. »Zum Teufel, was glaubst du denn, was du hier machst?«
    Emma wollte gerade eine Entschuldigung stam-meln, als sie merkte, dass die Frage gar nicht an sie gerichtet war. Das Schimpfen kam aus einem Raum ein paar Schritte weiter, dessen Tür geschlossen war. Jetzt konnte sie auch eine leisere Stimme hö-
    ren, die antwortete. Vorsichtig näherte sich Emma der Tür und horchte.
    »Nein, zum Kuckuck, du kannst mein verdammtes Zimmer nicht aufräumen, und wenn ich dich noch mal dabei erwische, dass du unter den Betten im Kinderzimmer Staub wischst, dann ziehe ich dir die Ohren lang! Ist das klar?«
    Emma drückte sich gegen die Wand, denn die Tür flog auf und ein dunkelhaariger, schmächtiger Junge kam herausgestürzt. Er wurde von einer Frau verfolgt, die mindestens so alt war wie Crowley; sie war einen Kopf größer als Emma und hatte die Sta-tur von einem Schlachtschiff. Ihr kurzes weißes Haar war ein Wust von festen Ringellöckchen, in denen Fusseln in allen möglichen Farben hingen.
    Tweedrock und Twinset waren ebenfalls mit roten Fäden bedeckt, am Handgelenk trug sie ein Nadel-kissen und um den Hals ein Maßband. Die Frau drohte dem Jungen mit einer Zickzackschere und schrie: »Raus mit dir!«
    Der Junge ließ sich nicht einschüchtern. Er sah sauber und ordentlich aus in seinem Polohemd, seinen blauen Shorts und weißen Kniestrümpfen und Turnschuhen. Verunsichert, aber trotzig sah er seine übermächtige Verfolgerin an.
    »Und was ist mit unserem Unterricht?«, fragte der Junge.
    Die Hand mit der Zickzackschere sank hinab.
    »Unterricht?« Die Frau kratzte sich am Kopf, wobei mehrere bunte Fäden zu Boden segelten. »Ihr habt doch gestern erst Unterricht gehabt, oder?«
    »Aber wir sollten doch jeden Tag Unterricht haben, Nanny Cole«, beharrte der Junge.
    »Jeden Tag? Und wie um Himmels willen soll ich Lady Nells Ballkleid fertig kriegen, wenn ich euch jeden Tag unterrichten soll? Ich will, dass du raus-gehst, und zwar dalli, und mir hier nicht frech kommst. Dein Unterricht für heute besteht aus frischer Luft und Sonne, mein Bürschchen. Und jetzt ab mit dir!«
    Mit finsterem Gesicht machte sich der Junge auf den Weg, aber als er Emma sah, blieb er stehen.
    Seine dunklen Augen verengten sich kurz, dann senkte er den Kopf und ging den Korridor entlang, ohne sich noch einmal umzudrehen. Emma stand noch immer an der Wand, als Nanny Coles an-griffslustiger Blick auf sie fiel.
    »Und wer zum Henker sind Sie?« Das Gesicht der alten Frau näherte sich Emmas Gesicht. »Sie spionieren doch nicht etwa auch hier herum wie dieses unterernährte Knochengerippe?«
    »Nein«, beeilte sich Emma zu sagen. »Ich heiße Emma Porter, und ich war …«
    »Ah, ja.« Nanny Cole richtete sich zu voller Grö-
    ße auf, legte einen Finger an die Lippen und nickte.
    »Die Gärtnerin aus Amerika. Hätte ich mir denken können. Sieht man Ihnen an, zuverlässig, erdver-bunden.« Nanny Cole wippte auf den Fersen, dann sagte sie im Befehlston: »Rumdrehen, rumdrehen, los, los, lassen Sie sich mal ansehen. Ich hab nicht so viel Zeit.«
    Emma war verblüfft, wagte aber nicht zu wider-sprechen. Langsam drehte sie sich um ihre eigene Achse, während Nanny Cole einen goldenen Stift aus ihrer Tasche zog und sich auf der Innenseite ihres Handgelenks Notizen machte.
    »Hmmm«,

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