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und der verschwiegene Verdacht

und der verschwiegene Verdacht

Titel: und der verschwiegene Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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über dem Segeltuch aus, kniete nieder und schob mit geübtem Griff Susannahs Augenlid in die Höhe. Sie nickte, dann ergriff sie ihr Handgelenk.
    »Sie lebt noch«, bestätigte sie, »aber Dr. Singh sollte so schnell wie möglich kommen.«
    »Sollten wir sie nicht ins Haus bringen?«, fragte Emma.
    »Besser nicht«, sagte Kate, während sie den schlaffen Arm des Mädchens unter die Decke schob. »Sie hat nicht viel Blut verloren, aber hier an der Schläfe ist ein hässlicher blauer Fleck, und au-
    ßerdem weiß man nicht, ob bei dem Sturz nicht ein Halswirbel verletzt wurde.« Sie stand auf und betrachtete Susannah mit ernstem Gesicht.
    Den Blick unverwandt auf das Blut im Gras gerichtet, ging Emma langsam rückwärts, bis sie an die Tür der Kapelle stieß. Dort blieb sie händerin-gend stehen und sah zu, wie Kate umsichtig Anweisungen gab, als mehr und mehr Menschen auf dem Rasenplatz am Fuße der Treppe erschienen.
    Zunächst kam Crowley mit einer weiteren Wolldecke, dann traf Hallard mit einem Erste-Hilfe-Koffer ein. Gerade als Bantry am Herzog vorbei herunter-kommen wollte, hörte Emma in der Ferne das Ge-räusch eines Hubschraubers. Der Obergärtner warf einen Blick auf Susannah, dann eilte er die Stufen hinunter, um leise mit Kate zu sprechen. Crowley gesellte sich zu ihnen, und Emma hörte nur Wortfetzen wie
    »die Leute im Dorf« und »Newland am Tor Bescheid sagen«, ehe Crowley nickte und wieder verschwand.

    »Dr. Singh wird jeden Moment eintreffen«, er-klärte Bantry.
    Der Herzog, der noch immer am oberen Ende der Treppe stand, zeigte nach unten. »Das kommt von diesen verdammten Schuhen«, sagte er. Susannahs abgebrochener hoher Absatz ragte unter dem Segeltuch hervor. »Wenn sie nicht darauf bestanden hät-te, immer und überall diese absurden Stöckelschuhe zu tragen, wäre das nie passiert.«
    Nachdem sie Susannahs Puls nochmals kontrol-liert hatte, ging Kate die Treppe hinauf und nahm Graysons Hände. »Wir müssen eine Erklärung vorbereiten«, sagte sie.
    »Natürlich«, sagte der Herzog, um dann hinzuzufügen: »Verdammt!« Er wandte sich an Bantry.
    »Kümmert sich jemand um Lady Nell?«
    Bantry nickte. »Mattie ist bei ihr, und Mr Harris sucht Master Peter. Der Junge ist verschwunden.«
    Emma wollte den anderen erzählen, dass Nanny Cole den Jungen zum Spielen hinausgeschickt hatte, aber sie zitterte so stark, dass ihre Zähne aufeinander schlugen und sie nicht mehr als ein halb erstick-tes Krächzen hervorbrachte.
    »Kommen Sie, Miss Emma.« Der Gärtner zog seine grüne wasserdichte Jacke aus und ging zu ihr hinüber. »Sie stehen ja unter Schock. Kommen Sie mit mir in die Küche, dort wird Madame Ihnen einen heißen Tee machen. Seien Sie jetzt vernünftig und kommen Sie mit mir.« Während er sprach, hatte er Emma seine Jacke um die Schultern gelegt; sie war noch warm und roch tröstend nach Kompost und Pfeifenrauch. Dann legte er seinen starken Arm um ihre Schultern und führte sie nach oben und durch die grüne Tür. Dort drehte sich Emma noch einmal um und blickte auf die Szene hinab, die ihr wie ein böser Traum erschien. Sie beobachtete, wie Grayson Kate einen fragenden Blick zu-warf, den diese nur mit einem kaum merklichen Schulterzucken beantwortete.

9
    IN DER KÜCHE brutzelte in einer Bratpfanne Schinken, aus einem riesigen Teekessel stiegen Dampfwolken an die gewölbte Decke, und vor dem großen Herd stand Madame und rührte mit einem Kochlöffel in verschiedenen dampfenden Töpfen, während sie gleichzeitig das Trio weiß beschürzter Küchenmädchen dirigierte, das zwischen dem Herd und dem langen, eichenen Küchentisch in der Mitte des großen Raumes hin- und hereilte.
    Die Mädchen waren damit beschäftigt, die Frühs-tücksteller von etwa einem Dutzend Männern in Arbeitsstiefeln und dicken Pullovern immer wieder aufs Neue zu füllen, die um den Tisch saßen und sich beim Essen mit gedämpfter Stimme unterhielten. Wie Newland, der Torwächter, trugen auch sie ein Funkgerät am Gürtel und einen Ohrhörer im Ohr.
    Am unteren Ende des Tisches saß Nell und ver-tilgte in aller Ruhe eine große Schale reifer Erdbeeren mit Sahne. Neben ihr saß Mattie und starrte trostlos in ihre Teetasse. Nell nickte nur, als Bantry und Emma eintraten; Mattie jedoch sprang vom Stuhl auf. »Ist sie …?«
    Die atemlose Frage des Mädchens ließ alle im Raum verstummen, und alle Gesichter drehten sich erwartungsvoll den Neuangekommenen zu. Verlegen wickelte sich Emma fester in Bantrys Jacke und

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