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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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etwas Diskretion erwarten. Walter hatte aber auch gar kein Schamgefühl, fand Opa.
    Alice setzte sich neben Edith, die ein Stückchen zur Seite rückte - scheinbar, um ihr Platz zu machen. Aber an Alice haftete ein -ein Geruch. Nun ja, Albert roch nach Eisenspänen, Dad nach Holz, Walter nach Fleisch und Mabel nach Schweinen. Aber Alice roch nach Lysol und Chloroform und Morphium - und nach noch etwas anderem, das einen nervös und unruhig machte.
    Edith wußte nicht, daß es der Tod war.
     
    Großtante Min lehnte sich zurück und sagte: «Sie haben Taffy Evans rausgeschmissen, hab ich gehört.»
    «Geschieht ihm recht», meinte Edith. Hatte sich das zu unchristlich angehört? Sie wechselte lieber das Thema. «Albert hat ein neues Gedicht. Nicht wahr, Albert?»
    «Jemand hat an die Bahn geschrieben, hab ich gehört, und von der Küsserei neulich berichtet», fuhr Min fort.
    Alle Blicke wanderten zu Opa, der ruhig im Sessel saß. «Kann sein», sagte er.
    Edith setzte sich ans Klavier. «Komm, trag’s doch vor, Albert.»
    Albert rührte sich nicht. Niemand im Zimmer rührte sich. Es war, als senke sich in dem stickigen Raum eine eiskalte Wand zwischen Nell und dem alten Mann herab. «Warst du das, Dad?» fragte sie ungläubig. «Hast du ihnen geschrieben?»
    Opa starrte ins Feuer, die breiten Finger zupften an den Spitzenschonern auf den Sessellehnen. «Ich hab gehört - es hat jemand getan», murmelte er ohne aufzublicken.
    Nells Stimme wurde zu einem Flüstern: «Du warst es also, Dad», sagte sie und erhob sich. Mißbilligende Blicke trafen sie. Benbow sah zu ihr auf. Sie legte ihm die Hand auf den Kopf und flüsterte: «Bleib hier, Liebling.» Sie ging hinaus in die Küche, drehte das Gas höher und setzte sich an den Küchentisch.
    Alle waren konsterniert. So etwas von Nell, die immer friedlich und freundlich war und nie vergaß, was sie der Familie ihres toten Mannes schuldete. Ja, ja, das walisische Blut! Nur Großtante Min war anderer Ansicht; sie ahnte schon lange etwas. Sie saß da wie ein Geier kurz vor dem Sturz auf die Beute und lutschte an ihrem Toffee.
    «Na, dann laß hören, Albert», sagte Opa müde. Man sah ihm an, wie tief gekränkt er war. Was für eine Enttäuschung! Alle wußten, wie sehr er Undankbarkeit verabscheute. Sie waren alle auf seiner Seite. Auch sie verabscheuten Undankbarkeit...
    Edith schlug ein paar Töne an. Albert erhob sich, trat ans Klavier, knöpfte sein Jackett zu, knöpfte es wieder auf, setzte den Kneifer auf die Nase, zog ein Blatt Papier aus der Tasche und las: «Im Schützengraben. Heini - ein Held ohne Ruhm.»
    Edith schlug ein paar Akkorde an. Albert räusperte sich und begann mit feierlicher Stimme:
    «Heini war mein bester Freund
    Mit feuerrotem Haar —»
    Alice ertrug es nicht länger. Sie ging ebenfalls in die Küche und ließ sich auf den Stuhl am Gaskamin fallen. Sie sah Nell an und sagte: «Noch eine Minute länger, und ich hätte mich übergeben. Dieser Kerl, dieser - Munitionsarbeiter hat die Frechheit, von Schützengräben zu reden! », sie ahmte ihn nach. «Geradezu obszön, so was.»
    «Oma gefällt es aber», sagte Nell sanft.
    «Er sollte selber draußen sein und uns mit seinem armseligen Komödiantenauftritt verschonen.» Plötzlich schlug ihre Stimmung um. «Mit Taffy mußt du vorsichtig sein, Nell. Sie kommen doch dahinter.»
    Nell sagte: «Tut mir leid, daß ich euch vorhin gestört hab, da draußen an der Tür. Nur... nimm’s mir bitte nicht übel, Alice - ich find’s nicht richtig, weißt du.»
    Alice flammte auf wie ein Zündholz, ihre dunklen Augen sprühten Funken. «Na klar findest du’s nicht richtig! Glaubst du denn, ich find’s richtig, verdammt noch mal? Daß ich mich wie eine Schlampe benehme mit diesem - diesem...» Mit zitternden Fingern zündete sie sich eine Zigarette an und zog tief den Rauch ein. Dann grinste sie plötzlich. «Das war recht, Nell - du imponierst mir, und du hast natürlich völlig recht. Es war nicht deine Schuld, das da draußen an der Tür.» Sie lachte ein leises sanftes Lachen. «So was geht nie gut aus. Und ich... mein Gott.»
    «Man weiß nicht wohin, nicht wahr», sagte Nell verständnisvoll. «Immer nur dunkle Ecken und Hausflure. Liebe müßte warm und friedlich sein, und ohne Angst. Aber so wird es vielleicht nie wieder.»
    Alice blickte sie nachdenklich an. «Komm, mach uns eine Tasse Tee, Mädchen.»
    Sie blieben in der Küche sitzen und tranken ihren Tee. Alices

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