Und der Wind bringt den Regen
sich noch einmal um und winkte.
«Sieg!» schrie sie. Er kam zurück.
«Ja?»
«Ach - gar nichts», sagte sie und schluckte. «Nur - Gott segne dich, Sieg.» Sie wandte sich um und lief zum Hof zurück. Dieses Jahr wollte sie es einmal mit Salat probieren, der sollte ja so gesund sein. Sollte das Blut reinigen. Und mit Schnittbohnen, die breite Sorte. Die hatte sie seit Jahren nicht gezogen, denn sie machte sich nicht viel draus, aber sie waren so nett anzusehen: jeder kleine Bohnenkern in Samt eingepackt, wie Steine im Juwelierladen. Kopfsalat und Bohnen. Schön, daß man sich im Frühling wieder auf etwas freuen konnte. Im Krieg hatte man das nicht gekonnt.
Erst als sie die Haustür erreicht hatte, erlaubte sie sich einen Blick zurück. Aber Siegfried hatte es offenbar eilig mit der Heimkehr ins Vaterland; von ihm war nichts mehr zu sehen. Still und verlassen lag das Moor da.
Für die Männer draußen in den Gräben war die Heimat zur Fata Morgana geworden, zu einem unvorstellbaren Paradies, in dem Frauen umhergingen und freundliche Pubs waren und gemütliche Sessel vor dem Kaminfeuer, in denen man den Sonntagnachmittag verdösen konnte.
Sessel spielten eine wichtige Rolle in ihren Träumen. Tiefe weiche Lehnsessel, warm und behaglich, die Kälte und Gliederschmerzen vergessen ließen, in denen man sich vergraben konnte und nicht mehr an die Angst vor den Kugeln und glühenden Granatsplittern denken mußte.
Auch in Ingerby kehrten die Männer langsam zurück. Einer nach dem andern kam in Will Dormans Laden, sah sich um und sagte: «Ich hätte gern einen Sessel.» Sie ließen sich hineinsinken, legten die Arme auf die Lehnen, befühlten die Polsterung und lachten verlegen, wenn sie an die feuchten Gräben dachten, in denen sie vier Jahre lang hatten hausen müssen. «Ja, der ist großartig», sagten sie dann. Und manchmal, wenn die Ehefrau mitgekommen war, blieb es nicht bei dem einen Sessel, dann kauften sie gleich zwei und ein Sofa dazu. Den ganzen Tag, von früh bis spät, war Taffy an der Arbeit; er sägte und hämmerte und klebte, er schnitt und nagelte und glättete, fröhlich und zufrieden. Nichts war ihm zu viel. Und nie war das Geschäft so gut gegangen. Will Dorman erhöhte seinen Wochenlohn um Sixpence. Nicht nur das: er gab Nell einen Penny, damit sie mit Benbow zum Jahrmarkt gehen und ihm für einen Penny etwas kaufen konnte.
Das war ein Fest. Benbow zog seine Admiralsuniform aus, setzte sich in sein Auto und zockelte zum Marktplatz. Unterwegs ging ihm die Lust zum Pedaltreten aus, und Nell mußte das Auto schieben. Nell war sehr glücklich. Nach dem dunklen Winter und den finsteren Kriegsjahren leuchteten jetzt wieder die zischenden Gaslaternen in der rötlichen Abenddämmerung. Sie hatte einen Mann, der ihr alles zuliebe tat, und sie hatte ihren Jungen. Auf den Straßen herrschte geschäftiges Leben, die Schaufenster waren erleuchtet, und über den Marktständen schaukelten die Petroleumlampen. Die Händler priesen ihre Waren mit mutwilligen Scherzworten an, gewürzt mit kräftigem englischem Humor. Lärm und Lichter, Drängen und Schwatzen und Lachen, das Klingeln der Straßenbahn und das Trappeln von Pferden, Benbows warme kleine Hand in ihrer Hand, und über allem der leuchtende Abendhimmel. Leben! dachte sie froh. Buntes Leben auf dem Marktplatz — seit Jahrhunderten das gleiche Bild. Es strömte um sie und in sie hinein und erfüllte sie mit tiefer Zufriedenheit. Bis ihr plötzlich Tom einfiel, der draußen in Flandern lag, wo jetzt die Nacht ihr dunkles Tuch über die kalte Erde legte.
Schweigend und unbewegt starrte Benbow auf all die Herrlichkeiten des Jahrmarkts; sein kleines Herz klopfte stürmisch. Da gab es rote Feuerwehrwagen, gezogen von schwarzen Pferden; Clowns und Soldaten, Affen und Löwen; es gab Briefträger und Schlachterjungen und kleine Kinderwagen mit Puppenbabies, es gab Puzzles und Würfelspiele und bunte Bälle und Segelschiffe und Panzerschiffe und Fischerboote. Es gab Autos und Wagen und Krankenwagen. Es gab einfach alles. Die meisten Kunden hätten Stunden für ihre Entscheidung gebraucht; für Benbow war die Sache bereits entschieden: er wollte den roten Feuerwehrwagen, und den bekam er. Mam bezahlte mit seinem Penny. Benbow beschloß, in seinem Auto heimzufahren; Mam trug die Feuerwehr und das Päckchen mit der Sülze. Er war still und verschlossen, aber innerlich floß er über vor Glück. Ein paarmal stieß er im Gedränge mit anderen Leuten zusammen,
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