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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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keinem gesagt.»
    «Und wann kommt sie wieder?»
    «Morgen abend, glaube ich. Vielleicht auch erst übermorgen früh.»
    Ihn überfiel plötzlich lähmende Müdigkeit. Irgend jemand würde sicher wissen, wo sie war, aber er würde sie trotzdem nicht finden. Es war ihm bestimmt, sie nicht zu finden. Das Schicksal, grau und tückisch, hatte es anders beschlossen. Und irgendwo in seinem Herzen hatte er das unsichere Gefühl, daß es besser sei, sie nicht zu finden. Lag das an Nells Verhalten? Er wußte es nicht. Er wollte jetzt nur zurück in die graue seelenlose Welt der Soldaten, wo Gefühle keinen Platz hatten. Sie war nicht da. Beinahe haßte er sie deshalb. Er würde nicht weitersuchen. Er hatte eine lange Reise vor sich...
    Mechanisch lächelte er Nell zu; nur seine Lippen verzogen sich. «Sag ihr, daß ich da war», sagte er heiser und wandte sich ab.
    «Frank!» rief sie. «Frank - komm doch — wo willst du denn hin?»
    «Zurück nach Frankreich», sagte er. Er wandte sich nicht mehr um, er hob nur die Hand zum Abschied mit einer fast verächtlichen Gebärde. Hilflos und völlig verwirrt schloß Nell die Tür, zornig auf sich selbst, weil sie keine Lösung gefunden hatte. Sie ging ins Wohnzimmer zurück, und Opa fragte;
    «Wer war denn da, Nell?»
    «Ein Soldat», gab sie zur Antwort. «Er wollte den Weg zum Bahnhof wissen.»
     
    Alice kam am Abend des zweiten Weihnachtstages nach Hause.
    Sie trat ins Wohnzimmer, wo die Eltern saßen. Sie sah strahlend aus, aber auch trotzig und beschämt und dabei wohl und entspannt - alles auf einmal. Und sie war sehr schön. Es war, als seien die vier Jahre der Erschöpfung von ihr abgefallen. Sie war aufgeblüht.
    Oma und Opa blickten sie unsicher an. Oma wischte sich die Augen und sagte: «Es ist noch was vom Puter da, wenn du Hunger hast.»
    «Ja, danke, Ma.»
    «Mach dir doch eine Tasse Tee», sagte der alte Mann.
    «Danke. Wo sind denn die anderen?»
    «Wo er ist, kannst du dir wohl denken», meinte Oma maliziös. Taffy war auf ein Bier in die gegangen. «Nell ist in der Küche und macht meinen Kakao.»
    Alice ging in die Küche. Nell blickte auf: sie sah nicht die Scham und den Trotz im Gesicht ihrer Schwägerin - sie sah nur die blühenden Wangen und wandte sich feindselig ab.
    «Mein Gott, Nell», sagte Alice. «Seit wann bist du denn auch so?»
    «Frank war da», gab Nell knapp zur Antwort.
    Alice erstarrte, sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
    «Frank? Ist er noch hier?»
    «Nein.»
    «Was hast du ihm gesagt?»
    «Daß du über Weihnachten mit einer der Schwestern verreist warst, irgendwo an die See, ich wüßte nicht wohin.»
    «Nell, du bist ein Goldstück. Und die andern, was haben-»
    «Die hat er gar nicht gesprochen. Ich hab ihn weggeschickt.»
    «Danke, Nell.»
    «Ich hab es nur für ihn getan», sagte Nell. Verachtung war in ihrer Stimme.
    Alice achtete nicht darauf. «Wo ist er hingegangen?»
    Nell wurde plötzlich von Wut gepackt. «Woher soll ich das wissen? Wo konnte er denn hin, der arme Kerl? Wahrscheinlich direkt zurück nach Frankreich.»
    Alice schwieg. Der alte Mann steckte den Kopf durch die Tür. Sein Blick wanderte unsicher von Alice zu Nell. «Sie möchte gern zu Bett, Nell. Wenn du den Kakao fertig hast - und ich hätte gern eine Tasse Tee, wenn du grad dabei bist.»
    Nell brachte den Kakao ins Wohnzimmer und kam in die Küche zurück. «Willst du auch eine Tasse?» fragte sie.
    «Ja, bitte», sagte Alice kleinlaut.
    Nell machte Tee und brachte Opa eine Tasse. Als sie zurückkam, sagte Alice: «Ich mach’s wieder gut, Nell. Sobald er wiederkommt. Ganz bestimmt.»
    «So - und Walter?»
    «Mit Walter ist dann Schluß. Das weiß er, ich hab’s ihm schon gesagt.»
    «Da wird er sich ja freuen.»
    Alice strahlte nicht mehr. «Für Walter ist das nicht so schlimm», sagte sie müde. «In zwei Jahren bin ich sowieso ein altes Reff, und das hat er gar nicht gern.»
    Nell starrte sie über den Rand ihrer Tasse an. «Und wenn Frank nun keine Lust hat, die Reste vom Schlachter zu übernehmen?»
    Röte stieg in Alices Gesicht; sie schwieg eine Weile und fragte dann halblaut: «Weißt du noch, wie du mal hier in der Küche gesagt hast, Liebe müßte immer warm und friedlich sein, und das würden wir vielleicht nie wieder erleben?»
    Jetzt fand Nell keine Antwort, und Alice fuhr fort: «Das hab ich mir gewünscht, Nell. Deshalb bin ich nach Scarborough gefahren. Und — das hab ich dort auch gefunden.»
    Noch immer schwieg

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