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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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sagte Vanwy. «Dein Vater hat gesagt, das sollte ich dir nach seinem Tode geben.» Sie lachte ihrer Cousine freundlich zu.
    Nell war überwältigt. Sie hatte noch nicht einmal eine Fünfpfundnote gesehen, und nun warf man ihr fünfzig Pfund zu — einfach so? «Ist das wirklich für mich, Vanwy?»
    Vanwy nickte. «Er traute den Rechtsanwälten nicht, und den Banken auch nicht. Er sagte, wenn du’s unter die Matratze steckst, hast du’s zur Hand, wenn du’s brauchst.»
    Nell kamen die Tränen. «Mein armer Pa - er hätte es lieber für sich ausgeben sollen.» Und gleich darauf dachte sie: Wie sehe ich bloß aus, erhitzt und verheult, und Vanwy dagegen - wie aus dem Ei gepellt, wie immer.
    Vanwy trug einen grauen Mantel mit Samtkragen, Hut und Handschuhe. Sie hatte Taffys schwarze Augen und Haare, und etwas Rot auf den hohen Backenknochen. Die beiden hätten Geschwister sein können: schmal, zierlich, dunkel, typische Waliser. Nell dagegen, blond und robust, war ein echter Abkömmling der Angelsachsen.
    Taffy brachte ihr Tee. «Gut, daß du gekommen bist, mein Mädchen», sagte er zu Nell. «Laß mich lieber nicht zu lange allein mit deiner Cousine da.» Eine Sekunde lang traf sich sein Blick mit dem seiner Frau; und was sie darin sah, war nicht Ausgelassenheit, sondern ein Ernst, der sie beunruhigte.
    Als Vanwy sich verabschiedet hatte und sie noch beim Tee sitzen blieben, sagte Nell etwas unsicher:
    «Nett, daß sie da ist, findest du nicht?»
    «Ja», sagte er und schwieg nach einer Weile, dann: «Wird nicht lange dauern und sie ist verheiratet.»
    «Ich weiß von niemandem. Hat sie was gesagt?»
    «Nein. Ich meine bloß...» Sein Blick war unruhig. «Ich weiß selber nicht, was ich meinte, mein Mädchen.»
    «Na, irgendwas mußt du doch gemeint haben, Taff», sagte sie, schärfer als es sonst ihre Art war. Sie dachte an das Picknick damals, als es Benbow noch nicht gab und Tom noch am Leben war, als Taffy und Vanwy sich im Gras herumbalgten wie junge Hunde, und dann auf einmal verstummt waren und mit dunkel starrenden Augen dasaßen. «Wird schon nett werden», sagte sie etwas zaghaft. «Sie ist meine letzte Verwandte jetzt.»
    «Ja», sagte er und reichte ihr seine Tasse. «Die Sülze ist gut-woher hast du sie? Von Thompson?»
    Sie nickte, aber ihre Gedanken waren bei anderen Dingen. Seltsam, wie Taffy auf Vanwy reagiert hatte. Und ihr armer Vatersein Leben lang hatte er gearbeitet, um Geld zu verdienen, und dann hatte er es nicht ausgegeben! Nun steckte da ein Bündel Geldnoten in ihrer Handtasche - genug, um ein ganzes Haus einzurichten. Sie sagte:
    «Dieses Geld von Pa - war das nicht lieb von ihm? Ach Taff, ich wollte, ich könnte ihm danken!» Und sie schmiegte sich in seine Arme und weinte.
     
    Und nun war der Frühling da. Längere Tage, Vogelgezwitscher, Narzissen und Primeln, Schwarzdorn und Maiglöckchen - für die heimkehrenden Soldaten war das Hoffnung und Wiedergeburt. Soviel Schönheit hatten sie nicht mehr für möglich gehalten. Draußen in den Schützengräben hatte das Frühjahr (Offensive) bedeutet. Im Frühling wurden heimlich die Reserven aufgerufen, Bomben sortiert, Schußwaffen kontrolliert und der ganze furchtbare Apparat zum Töten neu organisiert. Im Frühling brach der Sturm los: Metallsplitter, unter denen Männer sich duckten und vorwärtsstürmten, um einander umzubringen. Frühling - das waren keine aufbrechenden Blüten gewesen, sondern platzende Granaten, die Tod und Verderben brachten.
    Nun wurde es Frühling in der Heimat, und die Männer konnten es kaum glauben. War es auch so gewesen, als sie fort waren? Und würde es tatsächlich so weitergehen, die vierzig oder fünfzig Jahre lang, die sie noch leben würden? Schneeglöckchen und Osterlämmer und seidenblauer Himmel? Das Herz könnte einem zerspringen vor Seligkeit! Frühling - Frühling und das Morgenrot des ewigen Friedens! Was gab es noch zu wünschen?
    Wer etwas weitersah, wußte natürlich, daß vom ewigen Frieden auch jetzt noch nicht überall die Rede war. Weißrussen brachten in Rußland die Roten um, und Rote töteten Franzosen und Griechen und Polen. In weit entfernten Ländern gingen Esten, Letten, Litauer und Russen einander an die Kehle. Blut färbte den Schnee der nordischen Wälder und das Wasser der Flüsse rot. Aber das war vielleicht typisch für Ausländer - sie weigerten sich einfach, das Feld zu verlassen, auch wenn das Spiel längst abgepfiffen war.
    Nur wenige machten sich Sorgen und fragten sich,

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