Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
Vom Netzwerk:
Augen in einem freudlosen Gesicht, die auf ihn herabblickten. «Wo ist deine Mutter, Benbow?» fragte Opa.
    Vanwy deutete mit dem Kopf zu den Tanzenden hinüber, und Opa drängte sich durch die fröhliche Menge und legte Nell die Hand auf die Schulter. Nell, plötzlich herausgerissen aus dem heiteren Gewoge aus Musik und Farben und bunten Lichtern, blieb stehen und starrte den alten Mann verständnislos an.
    «Sie möchte nach Hause», sagte Opa.
    Nell verstand immer noch nicht, aber Taffy sagte kurz:
    «Dann bringen Sie sie doch nach Hause.»
    «Ich?» sagte Opa beleidigt. «Ich kann doch hier nicht weg. Ich bin im Ausschuß und muß bis zum Schluß bleiben.»
    «Kann Edith nicht mitgehen? Oder Alice?» fragte Nell bittend. «Edith hat noch viel zuviel zu tun.»
    «Und Alice?»
    «Alice kann doch ihr Zelt nicht im Stich lassen, gerade jetzt, wo die Leute womöglich Hilfe brauchen, wenn sie so viel Bier getrunken haben.» Den Nachsatz konnte er sich nicht verkneifen.
    Nell versuchte, sich aus den Armen ihres Mannes zu lösen. «Komm, Lieber - ich muß gehen.»
    Aber er hielt sie fest. «Nein. Miss Min kann sie doch nach Hause bringen.»
    Opa fiel ein, daß Taffy sein Angestellter war und sich daher nicht allzuviel herausnehmen konnte. Mit trauerumflorter Stimme sagte er: «Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß die Witwe unseres Sohnes seine alte Mutter allein nach Hause fahren läßt, in der überfüllten Straßenbahn, mit lauter Betrunkenen, mit einer alten Frau, die noch hilfloser ist als sie selber.»
    «Taff - ich muß gehen», sagte Nell müde.
    «Oh, mach dir bloß keine Mühe», sagte Opa sarkastisch. «Ihren Kakao darf sie sich dann auch selber machen.»
    «Ich geh jetzt, Taff.»
    «Nein, du gehst nicht. Du tanzt mit mir.»
    «Du kannst mit Vanwy tanzen.»
    «Nein —das möchte ich nicht», sagte er mit tonloser Stimme. Er sah plötzlich ängstlich aus.
    Nell legte ihm die Hand auf den Arm. «Lieber, ich muß gehen. Sei nicht böse, bitte. Mir tut’s doch auch leid.»
    Er stand vor ihr und starrte sie erbittert an. Dann kniff er die Lippen zusammen und sagte: «Gut - dann tanze ich eben mit Vanwy. Nimm den Jungen mit.» Er wandte sich ab, griff Vanwys Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Vanwy blickte Nell nicht an. Die dunklen Augen waren verhangen, sie schwebte davon, die weißen Finger lagen auf Taffs Schulter. Sie bewegte sich wie in Trance.
    «Komm mit, Liebling», sagte Nell zu Benbow.
    Aber in der überfüllten Straßenbahn, eingeengt zwischen Oma und Großtante Min, mit Benbow auf dem Schoß, war Nell den Tränen nahe. Es war so herrlich gewesen, nach den trüben Kriegsjahren und der Eintönigkeit bei den Schwiegereltern: die bunten Papierlaternen mit den flackernden Kerzen, der leuchtende Sonnenuntergang; die Musik, die mit jedem Takt zu sagen schien: «Nun freut euch doch endlich, ihr langweiligen Briten - Freude und Frohsinn gehören zum Leben und sind wahrhaftig kein Grund zum Schämen!» All die hübschen Kleider, und vor allem das Gefühl, daß an diesem einen Abend alle Arbeit und Mühe, daß der Alltag vergessen war. Sie hatte getanzt, mit ihrem Mann, und sie hätte zu gern weiter mit ihm getanzt, glücklich bei dem Gedanken, daß sie danach zusammen heimgehen würden, in ihr verschwiegenes Schlafzimmer aus rosa Satin, und die ganze Welt hinter sich ließen. Das wäre der Himmel gewesen. Und nun war sie herausgerissen worden aus ihrem Himmel, und sie hatte es selber zugelassen. Sie kam sich klein und arm vor, sie verachtete sich. Und was schlimmer war: Taffy verachtete sie bestimmt auch.
    Sie hätte sich weigern sollen, sagte sie sich. Wäre sie fest geblieben, könnte sie jetzt noch in Taffys Armen tanzen. Aber es hatte keinen Sinn, sich zu beklagen. Sie war selber schuld.
    «Er hat einen Schnurrbart», sagte Großtante Min plötzlich.
    «Du ja auch», sagte Benbow.
    «Benbow!»
    «Na, ist doch wahr.»
    «Sein Vater hätte so was niemals gesagt», verkündete Oma. «Er war ein Gentleman, unser Tom. Schon als kleines Kind.»
    «Er wollte nicht unhöflich sein», sagte Nell müde. «Nicht wahr, Benbow?»
    «Doch.» Wenn Benbow müde war, wurde er widerborstig.: «Das sah man ihm an», sagte Oma befriedigt.
    «Ja, deutlich», stimmte Min zu. Sie und Oma hüllten sich in eisiges Schweigen.
    «Wieso trägt der Junge einen Schnurrbart?» fragte plötzlich ein Mann, der Benbow gegenübersaß.
    «Er ist siebenundvierzig. Klein für sein Alter», gab Nell kurz zur Antwort.
    Der Mann sah

Weitere Kostenlose Bücher