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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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sein?»
    Ging da nicht ein Blick hin und her zwischen Taffy und Vanwy? i Aber vielleicht hatte sie sich geirrt.
    «Ach, das ist wirklich schade, Nell. Bist du deshalb nicht zurückgekommen?» fragte Taffy.
    Nell trank ihren Tee. Sie hatte das Gefühl, daß die beiden sie nicht aus den Augen ließen. Es war ganz still im Zimmer, und die § Spannung schien erst nachzulassen, als sie den Kopf schüttelte und sagte:
    «Nein, ich hatte keine Lust mehr. Ich hatte einen Streit mit Oma.»
    «Worum ging es denn?» fragte Taffy betreten.
    Nell hob den Kopf und sah ihn an. «Sie sagt, ich sei Tom untreu geworden. Weil ich dich geheiratet hab.»
    «Ach!» machte Taffy ärgerlich.
    «Aber ich habe ihr gesagt: Die Waliser sind nicht untreu, Oma. Niemals!» Sie starrte Taffy immer noch an. «Das stimmt doch, Taff, nicht wahr?»
    «Ja.» Taffy blickte in seine Tasse.
    Nell drehte sich plötzlich zu Vanwy um. «Nicht wahr, Vanwy, das stimmt doch?»
    «Was? Ach so, ja. Natürlich stimmt das», sagte Vanwy erschrocken.
    «Dann ist ja alles in Ordnung», sagte Nell hart.
    Aber es war nicht in Ordnung. Die Atmosphäre in dem kleinen Zimmer blieb gespannt. Nell saß auf ihrem Stuhl, in ihrem eigenen Haus, mit ihrem eigenen Mann und ihrer Cousine, aber sie merkte, daß sie für die beiden andern gar nicht da war. Die beiden waren ineinander vertieft, sie waren trunken und benommen, wie zwei Bienen, die sich an überreifen Pflaumen gütlich getan haben. Und als es jetzt an der Haustür klopfte, schienen sie es gar nicht zu hören.
    Es war Opa. Er hatte immer noch seinen Feiertagsanzug an, mit der Uhrkette und den Gamaschen, aber er sah irgendwie zusammengeschrumpft aus. «Es geht ihr gar nicht gut», sagte er, und dann, mit fast biblischer Eindringlichkeit: «Kannst du kommen, Nell?»
    Sie sah das Flehen in seinem Gesicht, aber sie rang ihr Mitleid nieder. Sie konnte- sie durfte ihr Haus heute abend nicht verlassen. «Tut mir leid, Dad», sagte sie. «Ich kann nicht. Du mußt Edith rufen.»
    «Das ist viel zu weit, Nell», seine Stimme brach fast. «Sie ist —es geht ihr sehr schlecht...»
    «Dann muß eben Alice ihre Patienten mal allein lassen.»
    Er sah sie hilflos an. «Du weißt doch, wie Alice ist, Nell.» Er blickte zu Boden, dann sah er sie wieder flehentlich an: «Kannst du wirklich nicht, Nell?»
    Sie ging zurück ins Wohnzimmer, wo Taffy und Vanwy schweigend saßen. «Du mußt mit mir kommen, Taff. Oma geht es sehr schlecht», sagte sie.
    «Ich?» sagte Taffy. «Ich geh heute keinen Schritt mehr aus dem Haus, und du auch nicht, wenn du noch einen Rest Verstand hast. Sie hat schließlich zwei Töchter.»
    Sie hoffte, Taffy würde hinausgehen und dem alten Mann das selber sagen. Aber er rührte sich nicht. Sie mußte plötzlich an den Abend des Waffenstillstandstages denken, als sie sich an ihn gelehnt hatte und sie beide fast umgefallen waren.
    «Du bist eine Närrin, Nell», sagte er jetzt hart und laut. «Es war schon dumm von dir, heute abend vom Platz wegzugehen. Und es wäre eine noch viel größere Dummheit, wenn du jetzt weggehst.» Er starrte sie an. Fast schien es ihr, als sähe sie eine verzweifelte Bitte in seinem Blick.
    Wollte er ihr etwas sagen? Ihr die Schuld geben für das, was geschehen könnte? Sie wußte es nicht, und sie war auch zu müde, um darüber nachzudenken. Sie dachte an den hilflosen alten Mann und an das, was zu Hause auf ihn wartete. Sie mußte ihm helfen und mit ihm gehen...
    In dem stickigen kleinen Schlafzimmer roch es nach Gas und nach Sennesblüten und nach vierzig Jahren Will und Lizzie Dorman. Der angsterfüllte alte Mann blickte auf seine stöhnende, um sich schlagende Frau. «Hol den Arzt», sagte sie. «Ich bleib hier und sehe, was ich tun kann.» Und Will Dorman ging, froh, daß er etwas tun konnte und den Schmerzen nicht untätig Zusehen mußte.
     
    Es war vier Uhr früh, als Nell nach Hause ging. Hohl klangen ihre Schritte in den leeren Straßen unter dem abnehmenden Mond.
    Der Arzt hatte Lizzie Dorman ein starkes Schlafmittel gegeben. Er hatte auch Will Dorman gewarnt, sich nicht zu überanstrengen («Wenn ihr beide krank werdet, ist keinem geholfen»). Er hatte Nell gebeten, ihm ein Bett in dem freien Zimmer zurechtzumachen und eine leichte Mahlzeit vorzubereiten.
    Nell hatte es getan und war dann einfach nach Hause gegangen, was der alte Mann erschreckt und murrend zur Kenntnis nahm.
    Sie hatten das Gas im Wohnzimmer heruntergeschraubt. Nell machte die Kerze an und ging schleppenden

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