Und die Eselin sah den Engel

Schrottberg zu.
    Als er näherkam, verlangsamte sein kopfloses Rennen sich plötzlich zu hastigen Schritten, wie bei einem tobenden Aufziehspielzeug, dem die Spannung nachläßt, und diese Schritte wurden bald zu einem Taumeln, bis Euchrid erstarrt stehenblieb, Rücken und Schultern so krumm vorgebeugt, daß seine Haltung noch buckliger, noch komischer wirkte als sonst schon. Er hatte die Hände über dem Kopf gefaltet, wie man es bei Schimpansen im Zoo sehen kann; sein Unterkiefer hing herab, seine rot umränderten Augen zuckten, und er saugte in tiefen Zügen die frische Luft in seine Lungen. Euchrid starrte.
    Und blieb angewurzelt vor dem Anblick, der sich ihm da bot. Unsägliche Trauer kroch über sein Gesicht. Alle seine Ängste waren begründet.
    Der rostige Wassertank – Pas Gladiatorenarena und Todesmenagerie – lag auf der Seite. Die zerborstenen Stelzenstümpfe ragten braun und morsch aus dem Boden wie Knochen, während die Wucht des Sturzes den Wellblechtank zu einem Oval gepreßt hatte; die Abdeckung aus Hühnerdraht war abgesprungen, und die obere Öffnung des Tanks glich einem monströsen Magen, der einen Schwall des Todes ausgespien hatte, eine chaotische Hekatombe gebleichter und angefressener Gebeine, lauter Wirbelsäulen, Gliedmaßen und Schädel; von den bleichen Resten fielen verweste Häute und Felle und Federn ab, und Schädel kullerten noch unter Euchrids Blick.
    Und über diesen Schwall hinausgeworfen lag Pa; er lag auf der Seite, aber noch in Sitzhaltung, sein Hocker nur Zentimeter entfernt; um seinen zerschmetterten Schädel breitete sich eine schwarze Lache aus, und aus seinem Ohrstumpf rann ein dünner Strom wässrigen Bluts.
    Ein Auge hing reglos und gelb am Sehnerv aus der blutgefüllten Höhle. Totes Auge. Krähenköder. Auf Pas Schulter hüpfte ein schlauer schwarzer Aasfresser hin und her, dann auf seinen Arm, um zwei kleinere Krähen zu verscheuchen, hackte verschlagen nach dem baumelnden Leckerbissen, flappte dann wieder den Arm runter und stieß mit seinem boshaften Schnabel nach den keifenden Störenfrieden.
    Euchrid rannte in die Hütte zurück und kam nach wenigen Sekunden mit der Schrotflinte wieder hinaus. Er zielte, gab Feuer und schoß der großen Krähe den Kopf ab. Er schoß noch einmal und blies der zweiten das Licht aus. Die dritte floh und entflappte in den Morgenäther; Euchrid lud, zielte, drückte den Abzug und traf sie im Flug: kreischend und um sich schlagend stürzte sie ab und klatschte einen Gewehrlauf von Euchrids Füßen entfernt auf den Boden. Sie flatterte schwächlich im blutgesprenkelten Staub und richtete flehend ein schwarzes Auge auf Euchrid.
    Das Gewehr an der Hüfte, zielte Euchrid nach der Krähe; dann hob er den Lauf und setzte, schluchzend und tränenüberströmt, einen Fuß langsam auf den zitternden Kopf des Vogels, und der Schädel knirschte hörbar unter seinem Stiefel, als er den Kopf zu Brei zermalmte. An einem Büschel Zwiebelgrün wischte er sich den Stiefel sauber.
    Euchrid zog ein Taschentuch aus seiner hinteren Hosentasche und schüttelte es auseinander. Er ging zu seinem Vater und legte dem Alten das weiße Leinenviereck übers Gesicht. Dann ging er zum Chevy, kletterte auf die Motorhaube, legte sich unter der flimmernden Sonne auf den Rücken und ließ die Beine runterbaumeln.
    Er griff in seine vordere Tasche und zog ein zweites Taschentuch heraus; langsam entfaltete er es, und ließ den dünnen Stoff auf sein Gesicht sinken, bis auch dies ganz bedeckt war.
    Das Gewehr legte er neben sich.
    Das Taschentuch war meergrün.
    So lag er da, eingeschlossen von Stille, bis ihn gnädig Schlaf umfing; denn ihm blieb keine andere Zuflucht mehr als das Dunkel des Schlummers – das weiche Kissen seiner Träume, in denen es nichts zu fragen gab und nichts zu verstehen …
    Die Sonne brannte höllenheiß, und sämtliche Fliegen summten, und binnen Sekunden wurde Pas Leichentuch dunkelpurpurn, wie eine nasse rote Flagge.
    Die Sonne brannte höllenheiß, und sämtliche Fliegen summten und fraßen sich an Blut und Raubgut satt, und zwei dunkle Flecke sickerten in das grüne Gewebe auf Euchrids Gesicht.
    Der Boden in der Hütte war übersät von Spielkarten mit mindestens zwanzig verschiedenen Rückenmustern – Karten aus drei oder vier der Spiele waren rot oder blau mit komplizierten Linienornamenten; eine andere Sorte schmückte das Aquarellbild einer chinesischen Dschunke; dann gab es welche, auf denen eine lüsterne Venus zu sehen war – eine