Und die Goetter schweigen
Hartmans Stimme klang so ruhig wie immer. Maria versuchte ebenfalls gute Miene zum bösen Spiel zu machen, bis sie hinaus in die Diele getreten war. Ein hastiger Kuss auf den Mund von Krister. »Sei vorsichtig!« Maria nickte und eilte durch die Haustür hinaus, als sie die festen Schritte ihrer Schwiegermutter näher kommen hörte.
Maria stieg in Hartmans alten Ford. Die Scheibenwischer quietschten ihren sorgenvollen Gesang. Der Schnee fiel in großen Flocken und schmolz auf dem Asphalt. Hartman duftete nach Rasierwasser. Ein starker und würziger Moschusduft füllte das kleine Auto. Die Hälfte hätte völlig gereicht. Vielleicht ein Weihnachtsgeschenk, für das er sich ausführlich bedankt hatte, mehrere Male. »Elin Svensson, Rudbäcks Nachbarin, hat angerufen, dass sie einen toten Mann in einem Auto neben dem Waldweg gefunden hat, ein paar hundert Meter von ihrem Häuschen entfernt. Sie wollte Kiefernreisig holen und stieß direkt auf das Auto. Die Polizei ist schon da. Der Mann ist noch nicht identifiziert. Wir warten auf Erika Lund. Den Staatsanwalt habe ich schon benachrichtigt.« Maria fühlte sich gereizt, missmutig und falsch angezogen in ihrem ausgeschnittenen roten Festtagskleid. Der Tote lag mit der Wange gegen die Armstütze des Beifahrersitzes gelehnt. Der Körper war in sich zusammengesunken, die Augen geschlossen. Die ungewöhnliche Körperhaltung, das bläulich bleiche Gesicht sprachen eine deutliche Sprache. Obwohl der Geruch kaum zu spüren war, denn der Körper war ausgekühlt, wurde Maria übel. Gewöhnt man sich jemals daran? Maria warf Hartman einen verstohlenen Blick zu. Sie erinnerte sich daran, wie der Kollege bei einer passenden Gelegenheit erzählt hatte, dass man sich bedeutend besser gegen die Übelkeit schützt, wenn man sich Parfüm oder etwas anderes stark Riechendes direkt unter die Nase streicht. Das erklärte auch Hartmans übertriebenen Wohlgeruch. Die Frage ist allerdings, welche Düfte man dann später bei festlichen Gelegenheiten noch ertragen konnte. Der Verstorbene musste ein gut aussehender Mann gewesen sein, überlegte Maria und fühlte sich kraftlos und traurig. Die dunklen Locken hingen ihm über den Kragen der Lederjacke. Die Gesichtszüge waren regelmäßig und kraftvoll, der Tod so erniedrigend. Ein junger, kräftiger Körper zersetzte sich langsam wie ein behandelter Apfel. Eine dünne frische Schale auf der Außenseite, aber innen war alles Leben längst erloschen. Erika Lund traf gleich nach Hartman und Wern am Mordplatz ein. »Eigentümer des Autos ist Kent Asp. Wir haben bei der Zulassungsstelle nachgefragt. Das erklärt, warum wir ihn gestern nicht erreichen konnten.« Erika zeigte den Führerschein des Mannes. Mit einem selbstsicheren Lachen blickte er Maria auf dem Foto entgegen, so lebendig und so anders als das Bündel im Auto. »Wir müssen uns mit Anneli Berggren in Verbindung setzen. Sie musste wissen, ob und wo er Angehörige hat«, sagte Hartman gedämpft. Er nahm das Handy und rief den Staatsanwalt nochmals an. Stefan Berg meldete sich mit leicht resignierter Stimme.
»Das Opfer ist barfuß, alle Nägel sind abgeschnitten, die Kehle durchgeschnitten.« Erika Lund fasste zusammen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Auch sie sah aus, als ob sie direkt von der Festtafel käme, die langen silbernen Ohrringe glänzten im sparsamen Licht, das aus der offenen Autotür fiel. Sie sah aus wie die Königin der Nacht persönlich. Dankbar stieg Maria in den Ford. Ihre Hände waren steif vor Kälte, die Zehen taten ihr weh. Erleichtert verließen sie den Tatort. Hartmans kräftige Fäuste lagen auf dem Lenkrad. Leicht vornübergebeugt starrte er in den Schneefall, als er den dunklen Waldweg entlangfuhr. »Ich hab nach Ragnarsson gefragt, er wollte innerhalb der nächsten Stunde auf die Wache kommen. Meinst du, du kannst mich dort absetzen und allein mit Anneli Berggren sprechen?«
10
Der Lärm vom Fernseher ließ die Fenster des gelben Reihenhauses erzittern. Maria klingelte mehrere Male, ehe die Tür schließlich von Gunilla Berggren geöffnet wurde. Hastig hob sie die Hand an die Wange. Trotzdem konnte Maria eine brennende Rötung unter dem linken Auge sehen. »Ich bin von der Polizei, darf ich hineinkommen?« Gunilla Berggren riss die Augen auf. Ihr Gesicht verlor alle Farbe. Sie machte keine Anstalten, von der Tür wegzugehen, die Hand schien am Türgriff festgefroren zu sein, das Lächeln zu einer Grimasse versteinert. Maria bekam keinen Blickkontakt. Sie
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