Und die Goetter schweigen
war das Reich der Frauen. Schwiegermutter dirigierte die ganze Arbeit von der Spüle aus. Dies war die Stunde, in der die Frauen für sich waren, eine Zeit der Abgeschiedenheit, Zeit für Klatsch und vertrauliche Gespräche. In diesem Jahr waren Geburten und Sterbefälle Nebensache, denn es gab ja den Mord im Kronwald. »Es wird geredet, dass er, also Dick Wallström, vermögend gewesen sei. Er hat angeblich eine Tante in Deutschland beerbt. Das sagt mein Nachbar, der auch in der Schlachterei arbeitet. Erst kürzlich soll er jede Menge Geld gekriegt haben.« Marias Schwägerin sprach stoßweise, während sie festgebranntes Omelett aus einer feuerfesten Pfanne kratzte. »Er hatte auch eine Menge Weibergeschichten«, fügte sie eifrig hinzu und sah Maria auffordernd an. »Was sagen die in der Schlachterei denn?« Mit einer Gegenfrage zu antworten war viele Male die einzige Rettung. Eigenartigerweise funktionierte das auch meistens richtig gut. »Manchmal wohnt er bei dieser Friseurin, wie heißt sie doch gleich? Die den Salon Seidenschwanz hat.«
»Stina heißt sie, meine ich, Stina Ohlsson.«
»Ja, Stina, weißt du, sie hat den Salon gegenüber von Bredströms Juweliergeschäft.« Alle stimmten zu. »Wird sie alles erben, was meint ihr?« Die Schwiegermutter sah eine Schwiegertochter nach der anderen auffordernd an, ohne dabei die Bürste oder den Topf loszulassen.
Man könnte meinen, dass der Tanz um den Weihnachtsbaum in gewisser Weise einem Regentanz ähnelt. Hier oben im Norden spielte sich das nach festen Regeln ab. Wie auf Bestellung begann der Schnee wie große weiße Federn zu fallen. Vielleicht sind die Wolken da oben nichts anderes als die eigene Hühnerfarm der Engel, weit entfernt von allem, was Mäusebussard heißt, ging es Maria durch den Kopf, als sie die Schneeflocken auf ihrem Flug zum Erdboden beobachtete. Nun wurde es Zeit für Donald Duck und seine Freunde im Fernsehen. Die Kinder, die nicht verstehen konnten, was denn an den alten Disneyfilmen so aufregend war, ständig wurden alte Disneyfilme wiederholt, spielten unter dem großen Tisch Jurassic Park, während die Erwachsenen andächtig vor der Mattscheibe saßen. Hin und wieder wurde jemand von einer Eidechse gebissen, schrie los und wurde von den Erwachsenen zurechtgewiesen, schließlich herrschte Weihnachtsfrieden. Warm vom Glühwein und matt schlief Maria auf dem Sofa ein und wachte erst wieder auf, als Emil ihren Arm schüttelte. »Der Weihnachtsmann ist draußen, Mama! Guck doch bloß!« Krister kam mit der Laterne und zerrupftem Bart hereingestolpert. In gebrochenem Schwedisch gab er sich als der finnische Weihnachtsmann Pavo zu erkennen, dem die Rentiere weggelaufen waren, nachdem er sich verirrt hatte. Die Weihnachtsgeschenke waren ihm auch abhanden gekommen, daher sollten die Kinder ihm helfen, im Garten, wo die Rentiere gestürzt waren, nach dem Sack zu suchen. So war das jedes Jahr. Als der finnische Weihnachtsmann Pavo hinaus in die Weihnachtsnacht gestapft und Krister statt seiner gekommen war, begann man die Pakete zu öffnen. Maria packte eine schwarze Lackschatulle aus, die in Bredströms Juweliergeschäft gekauft worden war. Auf dem roten Samt lag eine goldene Halskette von Krister. Der Anhänger war ebenso schön wie schwer. Er sah aus wie die Kopie eines mittelalterlichen Fundstückes, vielleicht sogar ein Schmuckstück aus der Eisenzeit. Eine hübsche Arbeit, sicher furchtbar teuer! Wie in den Werbefilmen nahm Krister die Kette heraus und hängte sie seiner Frau mit dramatischer Langsamkeit um den schlanken Hals. Dann küsste er sie auf den Nacken. Solche Gesten führen manchmal mehr zu Eifersucht als das Geschenk selbst. Die Schwägerinnen starrten ihre Männer verärgert an. Der eine oder andere Knuff wurde verpasst. Die Schwiegermutter starrte enttäuscht auf ihren Eierkocher. In einem solchen Moment spürte Maria, wie sehr sie ihren Mann liebte. Seine Spontaneität, die sie zeitweise an den Rand der Scheidung trieb, war zweifellos auch seine beste Eigenschaft. Torte mit Wunderkerzen darauf wurde serviert, und dazu gab es Moosbeerenlikör. Gerade als Maria ihr Glas erheben wollte, rief Artur aus der Küche, dass Polizeiassistent Wern am Telefon verlangt würde. Es wurde still. Alle Gespräche verstummten in gespannter Neugier. Jemand mahnte die Kinder zur Ruhe. »Maria, es tut mir wirklich Leid, dass ich die Weihnachtsfeier stören muss. Wir haben einen zweiten Mord im Kronwald. Kann ich dich in zehn Minuten abholen?«
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