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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Janson
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Lokal werden mehr Getränke verkauft. Das Restaurant war beinahe voll besetzt. Während sie auf das Essen warteten, beobachteten sie die Gäste. Karin entdeckte ihn zuerst. »Ist das nicht ein guter Freund deines Vaters? Der Professor? Es scheint ihm nicht gut zu gehen.« Maria drehte sich um und erblickte Professor Morgan Höglund, der dort saß, zusammengesunken mit verschwommenem Blick und der Nase wenige Zentimeter über dem Teller. Heute war keine Rede von ›feinem Wein‹, heute waren offenbar stärkere Sachen gefragt. Maria ging hinüber und suchte Augenkontakt. »Wie geht es dir, Morgan?«
    »Sic transchit gloria mundi«, nuschelte der Professor. »Was heißt das?«
    »So vergeht alle Herrlichkeit der Erde … Herr … lich … keit! In vino veritas. Im Wein ist Wahrheit. Auf Frauen kann man schich nisch verlassen. Nein!«
    »Was meinst du damit?« Maria tat der Professor Leid, der sich verlegen hinter seinem Latein verbergen wollte. »Die schint grüüün innen, aber schwarsch außen. Ich schag dir, wie dasch ischt, Maria.« Der Professor starrte Maria an und flüsterte mit überdeutlichen Lippenbewegungen: »Frauen, ach Frauen schind phantastische Weschen, aber ihnen fehlt dasch kleine Gehirn. Darum, deschhalb schind schi scho enttäuschend. Schtatt diesem Gefühlsschentrum haben schie nur eine dunkle Leere. Leere, verstescht du«, lallte der Professor. Und bei diesen Worten kippte er schnarchend mit der Nase auf den Teller, sodass die drei kleinen Gerichte zu einem einzigen Matsch wurden. »Wir müssen ein Taxi bestellen und ihm nach Hause helfen«, sagte Maria mit einem Blick auf Karin, die ihr zu Hilfe gekommen war, als sie das Krachen gehört hatte. »Ein Unglück kommt selten allein, sagte das Mädchen, das aus der Nase blutete! Die Welt ist voller Männer, die sich das Leben schwer machen«, sinnierte Karin respektlos. Mit Hilfe des Restaurantpersonals gelang es ihnen, Professor Höglund in ein Taxi zu bugsieren und ihn anzugurten, damit er nicht zu Boden rutschte und beim Aussteigen den Fahrer voll spuckte. Mit sorgenvollem Blick zog Maria ihre Brieftasche heraus und bezahlte. Das Bargeld des Professors war bis auf die letzte Krone vertrunken. Sie halfen sich gegenseitig bei der Suche nach seinem Türschlüssel. Morgan kreischte vor Lachen und strampelte mit den Beinen. Trotz seines volltrunkenen Zustandes war er kitzelig. In der linken Manteltasche fand Maria den Abschiedsbrief, der der Auslöser für den Zusammenbruch des Professors gewesen war.
    Ich glaube nicht, dass du der richtige Mann für mich bist. Danke für die nette Gesellschaft, solange sie währte. Schöne Grüße, Berit »Das hätte er doch begreifen müssen, der alte Mann, dass Berit zu jung für ihn war. Er würde erheblich besseres Jagdglück haben, wenn er sich um Frauen in seinem Alter bemühte. Für Witwen und Geschiedene zwischen 60 und 70 Jahren müsste er Hochwild sein!«
    Maria knipste das Licht in der Diele an. Es roch stickig und staubig mit einem stechenden Geruch nach einer Art Salbe. Alle Wände in Morgans kleiner Zweizimmerwohnung waren vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen zugestellt. Gemeinsam schleppten sie den Willenlosen zu seinem Bett und legten ihn in die stabile Seitenlage. Das Schnarchen wurde lauter. Maria sah sich in dem Zimmer um. In der Mitte stand ein gigantischer Schreibtisch in heller Eiche, übervoll mit Büchern und Papierstapeln. Direkt vor ihr, neben einem Tintenfass mit dazugehörigem Gänsekiel, lag ein Buch, dessen Titel sogleich Marias Aufmerksamkeit auf sich zog: »Unser nordisches Kulturerbe« von H. Månsson, und darunter weitere zwei Bücher des gleichen Autors. Disa Månsson! H. Månsson konnte ihr Vater sein. Maria blätterte vorsichtig in dem obersten Buch. Die Einleitung handelte von Nazis und nordischer Mythologie. Der Verfasser machte geltend, dass die Bewohner des Nordens auf ihr Kulturerbe stolz sein und den Nazis nicht das alleinige Recht an der nordischen Geschichte und Mythologie überlassen sollten. Darüber hinaus schien das Buch sich an Wissenschaftler und Forscher zu richten. Der Text befasste sich hauptsächlich mit Forschungsresultaten und Methoden zur Altersbestimmung archäologischer Funde. Auf der letzten Seite konnte man eine kurze Biografie des Autors lesen. Henrik Månsson, geboren 1915. Disa Månsson wäre eine Frau in den Fünfzigern gewesen, wenn sie noch lebte. Henrik Månsson konnte gut und gerne ihr Vater sein. Karin war draußen und beschäftigte sich in

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