Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Janson
Vom Netzwerk:
die die Operationen durchführten, machten das oftmals nur mit lokaler Betäubung, dann konnten sie während der Operation mit den Patienten sprechen und das Resultat beurteilen. Von der Stirn aus führten die Arzte ein Instrument ein, das Eispickel genannt wurde und im Gehirn herumschnitt, bis man mit dem Resultat zufrieden war. Manche starben natürlich an Gehirnblutungen. Die meisten waren nachher leichter zu pflegen. Sie sehen ganz geschockt aus. So jung, wie Sie sind, waren Sie natürlich noch nie auf einer geschlossenen Abteilung, und dafür können Sie sich bedanken. Wir waren gezwungen, Patienten festzubinden und ruhig zu stellen, damit sie nicht sich selbst und andere verletzten. Als die Operationen zur Routine wurden, konnte man diese Abteilungen nach und nach auflösen. Ein Teil der Patienten ging nach Hause und konnte einfache Arbeiten ausführen. Er, also der Arzt, der die Leukotomie entwickelte, bekam dafür den Nobelpreis, wussten Sie das? Er hieß Moniz.« Maria schüttelte den Kopf. Die Vorstellung war ihr völlig zuwider. »Wie grässlich!«
    »Das kann man so sehen, wenn man nie in einer solchen Abteilung gearbeitet hat, blau geschlagen nach Hause gekommen ist und Angst vor dem nächsten Tag gehabt hat. Man kann das schlimm finden, wenn man niemals gesehen hat, wie die armen Teufel litten und Tag und Nacht von ihren Ängsten gepeinigt wurden. Also, ich kann Ihnen sagen, für viele Familien, für die es vorher die absolute Hölle war, waren diese Operationen eine große Erleichterung. Das eigentliche Verbrechen war dann, dass man mit der Leukotomie nicht aufhörte, als es wirksame Medikamente gab. Chlorpromazin wurde Mitte der fünfziger Jahre in Schweden eingeführt. Aber bei uns wurde trotzdem bis weit in die Sechziger operiert. Da war viel Prestige mit im Spiel. Die Arzte wollten nicht, dass irgendjemand kam und ihnen mit neumodischen Sachen was vormachte. Vidar gehört zu denen, die anstelle einer Operation Medikamente hätten bekommen sollen. Disa kam davon, weil ihr Vater es so wollte. Er war ein feiner Mann. Für Disa war es ein großes Unglück, dass er so früh gestorben ist, und ein großes Unglück für Vidar, dass sie ihn in ihren Hass auf den Gynäkologen Bertil Simonsson hineingezogen hat. Soviel ich aus den Fragen der Polizei damals verstanden habe, soll Vidar ihr geholfen und den Arzt aufgehängt haben. Er hat ihn nicht getötet. Das hat Disa gemacht.« Elvy schob ihre mit Klebeband zusammengeflickte Brille die Nase hinauf. »Komisch, wie das Pendel hin und her schwingt. Als ich in der Psychiatrie angefangen habe, wurden alle mit abweichenden Verhaltensweisen, alle mit Entwicklungsstörungen, psychisch Kranke, Verbrecher, Deprimierte und ›leichte‹ Mädchen in einem einzigen Durcheinander eingesperrt. ›Leichte‹ Männer behielten ihre Freiheit, sonst wäre Dick Wallström schon lange hinter Schloss und Riegel verschwunden. Jetzt hat das Pendel also zur anderen Seite ausgeschlagen. Sieh dir doch diese Wracks hier in den Wohnwagen an. Die sollen in die Gemeinschaft integriert werden, heißt es. Manche kommen ganz gut klar, für andere wird die Einsamkeit und ihre Außenseiterrolle umso deutlicher, wenn sie hinaus unter Menschen gezwungen werden. Häufig sind die Patienten überfordert. Es gibt nicht genügend Personal, das ihnen helfen kann. Manche Patienten sehnen sich tatsächlich zurück in die Geborgenheit der Anstalten. Kann man das verstehen?«
    22 Kriminalinspektor Hartman saß an seinem Schreibtisch. Ihm gegenüber saß bleich und mit strähnigen Haaren Frau Gunilla Berggren und rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum. Der blaue Fleck auf ihrer Wange war größer geworden und hatte eine gelbviolette Färbung angenommen. Auf der anderen Wange hatte sie eine frischere Beule in Rot. »Sind Sie geschlagen worden? Die Art von Blutergüssen, die Sie im Gesicht haben, holt man sich nicht selbst.« Gunilla verbarg ihr Gesicht mit den Händen, wie um das Gesehene ungesehen zu machen. »Ich bin von ihm weggegangen. Ich habe ein Zimmer bei einer Bekannten gefunden. Anneli ist auch weggezogen.«
    »Können Sie mir bitte ihre neue Adresse geben?«
    »Sie ist mit Kents Bruder weg. Er wollte ihr in Malmö was besorgen.«
    »Möchten Sie, dass wir eine Anzeige wegen Misshandlung aufnehmen? Wir helfen Ihnen dabei, wenn Sie meinen, es sei zu schwierig für Sie.«
    »Nein! Ich habe niemals gesagt, dass er mich misshandelt hat. Ich habe nur gesagt, dass ich ausgezogen bin«, entgegnete

Weitere Kostenlose Bücher